Klimadre mia! – mit Linda Zervakis

Shownotes

Klimaschutz heißt, uns zu schützen – unsere Lebensqualität, unsere Gesundheit, unsere Zukunft! Tolle Sache! Es sollte also klar sein, was zu tun ist. Warum aber tut sich dann so wenig, besonders im Verkehr? Darüber spricht Maxi in dieser Folge mit Linda Zervakis, die auf Schienen den Zeitgeist jagt und auch privat die Elbe am liebsten per S-Bahn überquert. Deutschlands berühmtester Klimaforscher Mojib Latif erklärt uns derweil, wie wir alle etwas drehen können, was Politiker:innen drehen müssen und weshalb Klimaschutz kein Luxus sein darf.

News zum Wasserstoffbus in Hamburg findet ihr übrigens hier: https://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/Hamburger-Hochbahn-stellt-ersten-serienreifen-Wasserstoffbus-vor,busse318.html#

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00:00:00: Intro

00:00:02: Maxi Neben mir sitzt ein Mann mit einer Einkaufstüte und ja, ich geb's zu, ich bin so neugierig, was Leute sich zu essen einkaufen. Und hier denke ich mir dann gerade: „Okay, Bro, Harzerrolle? Fünf Packungen? Das ist nicht Handkäse mit Musik, das ist ein ganzes Proteinorchester. Aber ja, ja, ja. Essen und essen lassen, ich weiß. Hot Take: Öffis sind für mich einfach diese eine große Stretch-Limous, die wir uns alle gönnen und teilen. Und in dieser öffentlichen Limousine kommen wir uns auch ganz schön nahe. Ihr und ich, Bein an Bein oder Schulter an Schulter, an den Halteschlaufen, im Stehen, die Station zählen. Wir sitzen hier also alle in einem, na ja, nicht Boot, aber eben in einer Bahn oder einem Bus. Sorry, ich stelle mich erst einmal vor. Mein Name ist Maximian Mund. Ihr kennt mich vielleicht vom Sehen und jetzt eben auch vom Hören, denn das hier ist eben ein Podcast, und zwar über den öffentlichen Personennahverkehr. Ich verabrede mich mit Menschen, die den ÖPNV privat nutzen, professionell gestalten, ihr Geld damit verdienen oder eine Meinung dazu haben. Was lieben wir an unseren Öffis? Was frustriert uns? Welche epic Erlebnisse hatten wir darin? Das hier ist quasi der ÖPNV als Ballett.

00:01:16: Maxi Bahnensee. Also da bist du bist wegen Schwan und Bahn. Egal. Das hier ist Ticket to Anywhere. Let's talk Naheverkehr. Wohin mein Ticket geht, fragt ihr. Ich fahr zu meiner Oma. Agenda: Der Klassiker. Das Internet auf ihrem Smartphone geht nicht mehr. Also bringe ich es zum Laufen. Meine Oma und ich funktionieren super zusammen. Wir waren schon immer ein gutes Team und seit sie ein Handy hat, bin ich in der Favoriten Liste auf der Eins. Natürlich, Enkel Goal. Und klar, wenn sie nur Bahnhof versteht, klingelt bei mir das Telefon. Apropos Bahnhof: Fahren wir los? Schon, oder?

00:02:00: Linda Welcome to the ticket to anywhere show.

00:02:12: Der absolute Klimagipfel

00:02:15: Maxi Oh, Alter, f*ck. Okay, das ist echt krass. Aber ihr hört es ja gerade selbst. Heftig, oder? Ich liebe ja eigentlich Sommergewitter, aber ich hab schon das Gefühl, dass solche Unwetter immer heftiger und unberechenbarer werden, oder? Ahnt ihr noch diese typischen Postkarten, die man als Kind z. B. seinen Großeltern schickte und dann so eine Sonne draufmalte oder kitzelte? Und dann schrieb man: Wetter, Klima, alles prima. Schlecht gealtert, die Phrase, oder?

00:02:44: Linda Liebe Fahrgäste, bitte beachten Sie, dass es aufgrund des Sturms zu Unregelmäßigkeiten im Bahnverkehr kommt.

00:02:53: Maxi Okay, dann setze ich mich hier noch mal kurz hin. Dauert ja noch. Aber ich würde in der Zwischenzeit schon sagen: Wir steigen ein.

00:03:05: Maxi Alle drängen sich jetzt hier unter dieses Dach und warten das Unwetter ab. Ich schaue mich um. Rechts von mir der Mülleimer oder das, was davon noch übrig ist. Es sieht eher aus wie dieses Gesellschaftsspiel, Jenga. Und jeder denkt sich: Die Packung Durstlöscher passt noch obendrauf. Und solange es nicht in meiner Anwesenheit eskaliert, war ich es nicht. Prima. Ach Leute, das Das ist doch wirklich Müll, wenn wir das so machen. Ich habe manchmal das Gefühl, dass das Wort Klimaschutz in Gesprächen so eine riesengroße Red Flag ist, als würde jemand beim Date sagen, dass er dieses ständige Bettneubeziehen komplett overrated findet. Okay, trägt auch nicht gerade zum Klima bei.

00:03:49: Maxi Aber im Ernst, ich schau mich jetzt hier in diesem Wagen Der ist komplett voll. Ich tippe grob auf 23 Leute, die sich heute gegen ein Auto entschieden haben. Das ist doch mega. Wieso werden wir aber nicht einfach müde, immer dieses ausgelutschte Argument vorzubringen, dass eine einzelne Person sowieso nichts ausrichten kann? Wir sind ja nicht allein. Nie.

00:04:10: Maxi Wir teilen uns das alles hier. Aber ich frage mich auch, wie es bei mir persönlich ist. Ich finde es gut, wenn mir Grenzen gesetzt werden. Nicht nur zwischenmenschlich, auch in Bezug auf das Klima.

00:04:30: Maxi Oh, ach so, der Bus. Da ist er ja. Ich war gerade so versunken in meinen Gedanken, dass ich es gerade noch so durch die Bus-Tür schaffe. Still on my way to Hannelore. Ich sitze jetzt hier in einem von diesen E-Bussen. Man hört sie so gut wie gar nicht. Ich weiß noch, wie es am Anfang so Debatten gab, dass es ja gefährlich sei, weil die E-Fahrzeuge so leise sind und dadurch leichter Unfälle geschehen können. Ich checke den Punkt schon, aber ich denke dann auch, wir haben fast alle ständig Kopfhörer am Ohr. Wir kriegen doch eh kaum noch was mit. Also ich kann mich ganz klar an mehr als nur eine Situation erinnern, wo ich dachte: Mehr Glück als Verstand gehabt, Maxi. Einfach mal die Musik leiser drehen. Wenn ich je meinen Führerschein gemacht hätte, wäre ich eine Katastrophe für den Straßenverkehr gewesen, sagte mir meine Oma letztens. Wie meinst du, Oma? Maxi. Ich würde Autofahren, wie ich Fahrrad fahre. Kamikaze.

00:05:25: Maxi Das ist mein Dienst an meine Mitmenschen, dass ich nie das Gaspedal trete. Meine Oma fährt wirklich furchtbar Fahrrad. Sie ist diese Person, die nie die Hand raushält beim Abbiegen. Sie sagt dann zu mir, man würde ja wohl ansehen können, ob sie nach links oder rechts will. Oma, das ist gemeingefährlich, denke ich mir ständig. Aber bei Radtouren querfeldein ging es komischerweise ganz gut. Man musste sie nur vom fließenden Verkehr fernhalten. Ich finde es so unmodern, immer noch zu denken, dass man sich auf dem Planeten einfach austoben Das meine ich. Da rollt eine Bierflasche durch den Bus und niemand hebt sie auf. Gleichzeitig mosern wir dann rum, dass es in den Öffis so dreckig ist und stinkt. Also ich bin jetzt gewiss auch nicht Captain Planet, aber ich nehme sie jetzt mit raus. Muss eh aussteigen. So, jetzt erst mal den News-Podcast anmachen. Ich weiß nicht, wie das bei euch ist, aber ich kann mir nicht mehr vorstellen, dass sich unsere täglichen Nachrichten auf nur 15 Minuten Tagesschau reduzieren werden.Ihr? Nein, oder? Ich höre verdammt viele Nachrichten-Podcasts und gefühlt sind die ja mittlerweile nach einem Tag schon nicht mehr aktuell. Mein Favorit ist gerade Berlin Code.

00:06:40: Maxi Kennt ihr den? Mit Linda Zervakis? Ich liebe den ja. Ich habe übrigens letztens noch mal gelesen, dass sie sich während Corona einen Bauernhof gekauft hat und aufs Land gezogen ist. Jetzt wohnt sie wohl wieder in der Stadt. Wird mich interessieren, wie sie es mit dem Klimaschutz handhabt.

00:06:55: Linda Zervakis Teil 1

00:06:56: Linda Mein Name ist Linda Zervakis. Vielleicht kennen mich noch viele früher aus der ARD von der Tagesschau, weil ich Tagesschausprecherin war und bin vor vier Jahren zu ProSieben gewechselt und seit einem halben Jahr bin ich bei der ARD und habe dort einen Podcast, der nennt sich Berlin Code, wo wir immer gucken, was ist in der Woche passiert an politischen Themen, und dann versuchen wir, das zu analysieren. Und das mache ich gerade.

00:07:27: Maxi Danke schön. Und dafür warst du auch diese Woche unterwegs?

00:07:30: Linda Also ich bin seit Montag unterwegs, war Montag in München. Dann habe ich in München auch gedreht. Dann war ich in Kaiserslautern, dann war ich in Mainz und in Offenbach und heute hier in Berlin.

00:07:47: Maxi Oh, wow. Das heißt, du bist sehr viel Zug wahrscheinlich gefahren?

00:07:51: Linda Genau, nur Zug. Ich versuche eigentlich, so viel wie möglich mit einem Zug zu machen, tatsächlich so umweltmäßig. Und Da ich in Hamburg wohne, habe ich das aber zeitlich nicht geschafft und bin dann halt eine Strecke, die nach München geflogen.

00:08:06: Maxi Ich bin auch Hamburger.

00:08:07: Linda Ach so? Ja. Ach Mensch.

00:08:09: Maxi Ja, geborener Hamburger. Benutze ich auch oft die Affis. Wie bist du denn als Kind zur Schule gekommen?

00:08:14: Linda Also in der ersten Klasse hatte ich einen Bus, musste ich tatsächlich morgens nehmen. Einen eigenen? Nein, also tatsächlich einen ganz öffentlichen Bus. Und da musste ich auch noch in die griechische Schule gehen. Das heißt, ich bin nachmittags – und das war halt eigentlich immer ganz spannend – ab dem siebten Lebensjahr einmal quer durch Hamburg-Harburg gefahren und abends, die gingen immer bis 17 Uhr, diese griechische Schule, und abends zurück. Und wenn man jetzt mal an die Wintermonate denkt, also es wird ja einfach so ab Mitte Oktober dunkel, dass ich das alles allein gemacht habe, weil meine Eltern damals gearbeitet haben und gesagt haben: Ja, wir sind nicht da. Du machst das jetzt halt einfach alleine. Und wenn ich jetzt daran denke, dass ich meine Kinder mit einem Bus never ever, weil ich mir natürlich vor Angst in die Hosen mache und denke: Auf gar keinen Fall, wie anders das früher war und wie normal, dass man das halt alles immer selbstständig gemacht hat. Und heutzutage würde ich das machen oder würde ich das meinen Kindern zutrauen, hätte ich wahrscheinlich eine Anzeige von den anderen Eltern, die sagen: Geht’s noch? Du lässt deine Kinder heutzutage alleine mit sieben im Bus fahren, abends ab 18 Uhr?

00:09:19: Maxi Ja, das war mein Vater, damals war das noch ein bisschen andere Erziehungsmethode. Da war er so, als ich Kind war, da musste ich durch drei Dörfer mit dem Bus fahren, alleine und bin schon zwei Stunden vor Schulbeginn aufgewacht. Also kriegst es bestimmt hin, alleine mit dem Bus 20 Minuten zu fahren. Oh, krass. Aber ja, ich verstehe das. Du bist aber in eine Großstadt auch aufgewachsen. Bist du dann auch, wenn es dann irgendwann in die Jugend ging, so das erste Mal feiern gehen, alleine und so? Hast du da auch viel die Öffis benutzt?

00:09:44: Linda Und Du musst ja überlegen, ich habe halt in Harburg gewohnt und früher war das so, wenn du Harburg und Hamburg, gab es halt irgendwann eine Grenze zurück. Also ich glaube, die sind so maximal vielleicht bis halb eins, 0:30 Uhr und danach ist der Nachtbus gefahren. Und wenn du dann irgendwie unterwegs warst, bist du danach eine Stunde, also von mitten aus Hamburg wieder nach Hamburg, weil dann ja alle jede zwei Minuten irgendwie eine Haltestelle gefahren wird und du bist so: Okay, wann komme ich an? Ja, das hast du halt mitgemacht. Und ich habe halt mir irgendwann, weil du ja da auch immer angegraben, angesprochen, angelabert wirst, habe ich mir halt irgendwann so ein Gesicht angeeignet, dass ich irgendwann gefragt wurde – ich wurde dann irgendwann nicht mehr angegraben – ob ich Drogen verkaufe, ob ich Gras verkaufe. Und ich so: Nein. Also dachte ich: Geil, das wirkt. Und dachte: „Ja, dann hatte ich meine Ruhe. Aber ich bin dann halt immer, ich habe gesessen und bin direkt mutiert. Verstehe.

00:10:51: Maxi Das heißt, du wohnt jetzt noch in der Großstadt, hast aber auch mal auf dem Land gelebt.

00:10:55: Linda Da war ich tatsächlich mal für ein paar Monate, so in dieser Corona-Zeit. Und da ist ja öffentlicher Verkehr so … Also ich kenne auf dem Land wirklich niemanden, der nur Bus fährt, weil du dann eigentlich eine Neuntage-Woche brauchst, um alles zu erledigen. Weißt du, wie ich das meine?

00:11:14: Maxi Ja, weil es so schlecht angebunden ist.

00:11:15: Linda Ganz genau. Der fährt irgendwie sehr selten, der Bus.

00:11:19: Maxi Und jetzt wo du in der Großstadt wieder bist, benutzt du wahrscheinlich auch viel die Öffis. Es ist ja auch mittlerweile fast aktivistisch, Öffis zu fahren, das Klima zu schützen, um weniger Autos irgendwie auf die Straßen zu bringen. Wie stehst du gerade zu dem Thema Klimaschutz? Ich habe das Gefühl, dass viele auch mittlerweile genervt sind, einfach davon zu hören, weil sie das Gefühl haben, wir haben so viele Krisen aktuell, dass fast Klimaschutz in den Schatten rückt. Die Leute haben Lust, irgendwie gerade zu leben, weil sie haben das Gefühl, Corona hat den ganz viel weggenommen. Sie haben jetzt Lust, wieder in Urlaub zu fliegen. Sie haben Lust, selbstständig zu sein, individuell unterwegs zu sein, nicht auf den Fahrplan zu achten.

00:11:56: Linda Genauso wie du sagst, jetzt haben wir diese ganzen Kriege und irgendwie hat man das Gefühl, über das Klima wird nicht mehr geredet. Dann kann ich ja jetzt auch wieder für 20 Euro nach Malle fliegen, weil das Angebot da ist. Da passiert irgendwie nichts. Ich glaube, du schaffst das einfach nur, indem du knallhart Strafen setzt. Und ich glaube, jede Regierung, die gerade am Machen ist und das macht, du hast ja auch so die Art, wie das kommuniziert wird. Auf Instagram, TikTok wird das ja ausgeschlachtet bis zum Gehtnichtmehr. Also man muss sich ja dann auch nicht wundern. Oder es geht Klickzahlen und so. Dann kriegt wieder die andere Partei, die sich gar nicht darüber kümmert und sagt: Es bleibt alles so wie früher. Und Klimawandel gibt es gar nicht. Da kann man ja ein Rätsel draus machen, wer das behauptet. Das ist so, wo man denkt: Ja, Was macht man denn? Also wie lange reden wir schon darüber? Und guckt ihr die Temperaturen an, die gerade sind, wann wacht ihr endlich auf? Und das geht, glaube ich, nur über Strafen. Die Leute müssen bestraft werden, damit es endlich Klick macht. Also ich glaube, nur auf Freiwilligkeit zu setzen, vergiss es, – glaube ich, leider.

00:13:03: Maxi Aber auf jeden Fall spielt ja der öffentliche Naheverkehr eine Rolle, die Erwärmung oder das Klima zu schützen. Die Erwärmung, vielleicht etwas zu halten oder zu sinken, wird ja wahrscheinlich schwierig.

00:13:15: Linda Müssen wir. Ich glaube daran trotzdem. Und vielleicht auch durchs Deutschland-Ticket, dass dadurch – haben wir es ja schon mal ein bisschen geschafft –, dass dadurch einfach auch innerhalb der Städte mit Bus und S-Bahn einfach viel mehr gefahren wird als früher. Glaube ich schon.

00:13:30: Maxi Aber irgendwie ist es ja noch nicht attraktiv genug.

00:13:32: Linda Ja, ich weiß nicht. Also ich fand zum Beispiel dieses … Es gab mal eine Zeit lang in Hamburg, da hatten die ja Busse, die mit Wasserstoff gefahren sind, also als Test, wo ich so dachte: „Yes, super. Toll, dass ihr es umsetzt. Und was für ein gutes Gefühl, dass man dann damit fährt und denkt: „Ich setze keine ekligen Gase, keine Dieselwolken in die Luft. Und ich weiß nicht, irgendwas müssen wir noch erfinden, dass es immer mehr Leuten so geht und dass sie nicht denken: „Jetzt, Zervakis, halt die Klappe und laber mich nicht zu. Also ich bin auch kein, Gottes Willen, ich bin nicht der Super-Öko. Ich mache bestimmt auch noch viele viel, aber das muss endlich mal irgendwie mehr ins Bewusstsein und nicht immer so tun: Ach gut, die Überschwemmung ist in Spanien. Wir sind ja noch irgendwie gefühlt zwei Länder weiter.

00:14:20: Maxi Ich beobachte die zwei Lehrerinnen und die Schulklasse. Beide Frauen haben Schwimmbretter unter dem Arm geklemmt. Ja klar, Freibad. An diesem heißen Am Tag ist es natürlich das Beste, was man mit den Zwergen machen kann. Mittlerweile ist von dem Regen auch nichts mehr zu sehen. Die Sonne knallt wieder. Ich schaue mir die Kinder an und frage mich: Wie bringt man ihnen den Klimawandel näher? Wie gibt man ihnen das Gefühl, dass es toll ist, das Klima zu schützen, ohne sie in Angst zu versetzen? Und vor allem: Was bringt wirklich was? Und was ist vergebene Lebensmühhe? Und wir großen Kinder? Wir Erwachsenen? Es gibt einen Mann, den ich schon ganz oft in Polit-Talkshows gesehen habe und bei dem ich immer denke: Der erklärt es so ruhig. Der holt die Leute ab. Sekunde, wartet dich. Ich googel den noch mal. Dann wisst ihr, wen ich meine. Ganz bestimmt. Moment. Ich glaube, der ist Ozeanologe. Hier, Mojib Latif. Den meine ich.

00:14:18: Prof. Dr. Mojib Latif Teil 1

00:15:18: Mojib Ja, mein Name ist Mojib Latif. Ich bin Senior-Professor an der Universität Kiel und forsche am Helmholzentrum für Ozeanforschung in Kiel, bin aber auch Präsident der Akademie der Wissenschaften in Hamburg. Das ist die Norddeutsche Wissenschaftsakademie. Wir vertreten auch Bremen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern. Und ja, Wissenschaft ist sozusagen mein Leben.

00:15:44: Maxi Das ist ein Das ist schon eine große Ehre, dass wir heute hier sprechen dürfen. Der Diskurs über den Klimawandel, der ist ja so ein bisschen in den Hintergrund gerückt mittlerweile in den letzten Monaten oder auch im letzten Jahr. Wie empfinden Sie das gerade? Wo haben Sie das Gefühl, liegen die Prioritäten gerade bei den Menschen oder auch in der Politik?

00:16:02: Mojib Ja, ist natürlich eine Tragik. Das muss man sagen, in dem Maße, wie wir merken, dass doch der Klimawandel Fahrt aufnimmt. Jetzt, wo wir gerade sprechen, hatten wir gerade die katastrophalen Regenfälle in Texas, wo innerhalb weniger Stunden Regenfälle gefallen sind, die bei uns in einem halben Jahr passieren. Ja, dann kann man sich ja vorstellen, dass man sich da nicht anpassen kann. Innerhalb weniger Stunden sind die Pegel des Flusses sind mehrere Meter angestiegen und das zeigt einfach, dass wir nicht vorbereitet sind und immer noch den Klimawandel unterschätzen. Wir glauben, dass das, was in der Vergangenheit passiert ist, das Maximale, was passieren kann. Aber im Klimawandel ist es eben so, dass es auch exponentielles Wachstum gibt. Wir wissen inzwischen, was es ist, durch Corona. Das heißt, die Dinge fangen langsam an, beschleunigen sich und irgendwann können sie die nicht mehr einfangen. Das gibt es eben auch bei bestimmten Phänomen, beim Wetter. Und das sehen wir eben zum Beispiel bei den Starkregenereignissen.

00:17:07: Maxi Und welche Rolle spielt der Verkehr im Klimawandel?

00:17:10: Mojib Ja, der Verkehr ist natürlich ein Faktor. Eigentlich spielt alles, was wir Menschen tun, eine gewisse Rolle, weil am Ende hat das alles mit dem Verbrauch von Energie zu tun. Ein Auto fährt ja nicht einfach so, sondern braucht Benzin oder Elektrizität. Das Gleiche gilt jetzt für die Bahn, kann eine Diesellok sein, aber kann auch elektrifiziert sein. Und diese Energie muss erzeugt werden und immer noch weltweit betrachtet wird sie durch die Verbrennung der fossilen Brennstoffe erzeugt, vor allen Dingen Kohle. Kohle ist immer noch der fossile Brennstoff, der auf der Welt, wenn man es insgesamt betrachtet, am meisten verfeuert wird. Und deswegen ist praktisch alles, was wir tun, mit dem Ausstoß so genannter Treibhausgase verbunden. Und die, das wissen wir seit weit über in 100 Jahren, heizen eben die Erdatmosphäre auf.

00:18:03: Maxi Aber gibt es einen Vergleich zwischen, was jetzt, wenn jeder ein Auto fährt in der Stadt oder wenn jetzt jeder auf ÖPNV umsteigen würde, was würde da passieren, wenn jetzt plötzlich keiner mehr Auto in der Stadt fährt? Gibt es da dann einen deutlichen Rückgang vom CO₂-Ausstoß?

00:18:18: Mojib Ja, es würde schon einen Rückgang geben, aber der Verkehr ist eben nur ein Sektor. Ein weiterer, ganz entscheidender Sektor sind die Gebäude, die Wärme-Gewinnung oder auch das Kühlen, je nachdem, ob man eine Klimaanlage betreibt oder nicht. Und dann natürlich die Industrie, die Wirtschaft, die natürlich auch jede Menge Energie brauchen. Und deswegen kann man jetzt nicht den Fokus nur auf den Verkehr lenken, aber der Verkehr ist natürlich ein wichtiger Punkt. Und gerade im Verkehrsbereich kommen wir so richtig bei der Energiewende nicht voran. Es gibt da drei Sektoren letzten Endes, die mit Energie zu tun haben. Das eine ist der Stromsektor. Da sind wir schon ganz gut, haben wir schon so gut die Hälfte des Stroms durch erneuerbare Energie bei uns in Deutschland. Genau. Dann Wärme, da sind wir nicht so gut. Da liegen wir vielleicht so gerade vielleicht bei 20%. Und beim Verkehr sind wir ganz schlecht. Da sind wir seit 1990 praktisch nicht vorangekommen. Wir sind immer noch auf dem Niveau von 1990. Das hat natürlich vielfältige Gründe, dass der kurzfristige Gewinn, gerade bei den Autos, doch in der Industrie immer Priorität hatte gegenüber den langfristigen Interessen der Umwelt.

00:19:34: Maxi Das heißt aber, man kann sich wie ein kleiner Klimaschützer fühlen, wenn man ÖPNV fährt.

00:19:41: Mojib Ja, auf jeden Fall. Ich finde auch, es ist jetzt kein Verzicht. Ich tue es ja auch und ich habe nicht das Gefühl, dass ich verzichte, aber ich bin natürlich in einer privilegierten Situation, weil ich meistens hier in Hamburg bin, in einer Großstadt und dann gibt es eben einen guten ÖPNV. Und insofern ist es für mich einfach nur ein Gewinn, den ÖPNV zu nutzen, weil ich bin nicht gestresst, ich muss keinen Parkplatz suchen, ich komme auch pünktlich an. Das ist tatsächlich so, das ist mit dem Auto überhaupt nicht garantiert. Und ich verstehe es gar nicht, wenn man jetzt hier zum Beispiel aus dem Fenster guckt, da Richtung Dammtor-Bahnhof, ja. Immer Stau. Jeden Tag Stau ohne Ende. Und ich weiß nicht, warum die Menschen sich das antun.

00:20:21: Maxi Was würde denn faktisch mit der Luft passieren, wenn jetzt auch gleich die Menschen aufhören, Auto in Hamburg zu fahren?

00:20:28: Mojib Ja, wir müssen eben genau zwei Sachen hier unterscheiden. Auf der einen Seite gibt es ja die Klimawirkung. Also wenn wir keinen Verbrenner fahren jedenfalls verbrennen wir keinen Benzin oder keinen Diesel. Dadurch kommt weniger CO₂ in die Luft und dadurch verringern wir eben den Ausstoß von Treibhausgasen, was dann dazu führt, zumindest teilweise, dass die Erwärmung nicht so stark ausfällt. Das ist das eine. Das andere ist natürlich der Dreck. Das muss man auch sagen. Also aus dem Auspuff kommt ja keine Reinluft, sondern da kommen natürlich alle möglichen Schadstoffe, Stickoxyde, zum Beispiel Ruß. Und das macht die Luft schlecht, unabhängig von den Treibhausgasen. Und das sorgt eben auch für Krankheiten. Und gerade Luftqualität ist in Ballungsgebieten ein ganz, ganz großes Problem und viele tausend Menschen sterben frühzeitig oder früher, als es normalerweise der Fall gewesen wäre, wenn es die Luftverschmutzung nicht geben würde.

00:21:22: Maxi Wo sehen Sie denn die Zukunft vom Verkehr? Meinen Sie, irgendwann fliegen wir alle durch die Stadt?

00:21:27: Mojib Nein, das glaube ich nicht. Also Ich glaube auch nicht, dass wir nicht mehr fliegen werden. Die Menschen wollen fliegen, wollen mobil sein und so weiter. Ich glaube tatsächlich, dass Verkehr der Zukunft weniger Mobilität in dem Sinne haben wird, dass jeder ein Auto hat. Das glaube ich nicht. Mobilität wird eine Serviceleistung werden. Also ich stelle mir das so vor: Man zückt da sein Smartphone oder was auch immer dann da existiert. Vielleicht macht man es ja auch ohne irgendwas mit einem Chip im Kopf. Keine Ahnung Ja? Und dann denkt man, ich will jetzt irgendwie nach Berlin und dann kommt da so ein autonomes Fahrzeug vorgefahren und bringt einen zum Bahnhof, dann schreibt man in die Bahn, da war dann wieder ein autonomes Fahrzeug und bringt einen da ins Hotel oder sonst wo hin, wo man gerade hin will. Ich glaube, das ist die Zukunft. Nicht, dass jeder sein Auto hat. Das ist auch eine unheimliche Ressourcenverschwendung. Und so wird es sein. Da bin ich mir ziemlich sicher.

00:22:25: Sprecher Wenn Sie von den Türen nicht zurücktreten, kann diese Bahn nicht weiterfahren. Bitte treten Sie zurück.

00:22:33: Maxi Ey, dieser Moment läuft immer gleich ab, oder? Kennt ihr das? Wenn man dann selber weit weg von der Tür steht, denkt man sich so: Schaut her, ich mache es richtig. An mir liegt es nicht. Manchmal fühle ich mich dann so, als hätte ich eine Eins in Mathe geschrieben, was nie passiert ist. Aber es ist doch interessant, wie ertappt wir uns fühlen, wenn wir daran schuld sind, dass wegen uns der Verkehr aufgehalten wird. Oder? Also spricht für mich wieder einmal dafür, dass klare Verbote im Hinblick auf unser klimaneutrales Verhalten nicht so schlecht wären. Da halten wir im übertragenen Sinne auch extrem den Verkehr auf. Ob Linda gut mit Verboten umgehen kann?

00:22:25: Linda Zervakis Teil 2 Sag mal, was für ein Typ Verkehrsfahrerin, öffentliche Verkehrsfahrerin bist du denn? Steigst du lieber vorne oder hinten ein?

00:23:19: Linda Beim Bus? Ja. Ist ja lustig. Habe ich mir noch nie … Eher mittig.

00:23:23: Maxi Mittig?

00:23:23: Linda Ja, eher mittig.

00:23:24: Maxi Ich habe vorne immer Angst, ich werde kontrolliert und ich muss sofort Fahrkarte vorzeigen, dass ich irgendwas habe.

00:23:28: Linda Ja, und ich Also es gibt ja diesen Sitz direkt hinter dem Busfahrer und das war früher ja auch immer so ein Sitz für Ältere, die irgendwie beeinträchtigt waren. Da habe ich früher immer, wenn ich in die griechische Schule gefahren bin, manchmal da gesessen mit meinem Ranzen und saß da halt und bin natürlich immer aufgesprungen, wenn eine ältere Dame oder ein älterer Herr … Natürlich. So, das mache ich auch heute immer noch. Und das, finde ich, passiert zum Beispiel ganz, ganz selten, dass Leute freiwillig aufstehen. Aufstehen, ja. Da kommen immer so old school vor und ich so: Ja, wollen Sie sich setzen? Wo dann immer so: Das ist aber lieb. Neben dir ist irgendwie so zehn Jahre jünger und denkst du: Merkst du was? Ja, ja.

00:24:05: Maxi Oder wenn man selber anfängt, Polizei zu spielen in den Wagen: „Wieso steht denn nicht auf?

00:24:07: Linda Ja, genau.

00:24:08: Maxi Ich sehe das.

00:24:09: Linda Nein, ja, ich traue mich dann immer nicht, weil ich dann immer denke: Vielleicht erkennen die mich jetzt, oder Hier, die olle...

00:24:15: Maxi Ja, ja. Moralapostel.

00:24:16: Linda Ja, genau. Nein, ich glaube, eher mittig. Mittig.

00:24:20: Maxi Wie stehst du zu essen in der Bahn oder im Bus?

00:24:22: Linda Boah, es ist auch … Also es gibt ja manchmal Leute, die auch so … Es fehlt eigentlich nur noch, dass die so ein Hackfleischbrötchen mit Zwiebeln einfach so denken, sag mal: Es ist zwar schön, dass es dir schmeckt, aber ich kipp hier gleich Das könnte man auch gut verbieten. Hätte ich auch nichts dagegen. Oder es ist den Leuten ja auch scheißegal. Schmatzen, trinken, dann läuft so eine Cola aus und dann gehst du in den Bus und bist so … und denkst: Oh nein, ich bin in so eine Cola und draußen liegt keine Fütze und es ist Sommer. Dann hast du so alles andere unterm Schuh. Es ist echt eklig. Und ich finde es immer so rigoros, dass Leute immer kein schlechtes Gewissen haben, einfach auch so eine Flasche oder so, weiß ich nicht, wenn sie ihre Pommes gegessen haben, einfach auch so zusammenknüllen und einfach so liegen lassen. Das ist immer so: Oh Mann, wir leben im Jahr 2025. Wir sind doch keine Primaten mehr, oder? Oder doch?

00:25:17: Maxi Telefonierst du in der Bahn?

00:25:19: Linda Ja, aber ungern, weil ich versuche es dann, leise zu machen, weil es ja doch irgendwie immer alle mitbekommen. Und ich habe, wann war das vorgestern? Also in der in der normalen Bahn gesessen und das war einer, der die ganze Zeit Schwäbisch geredet und hat nicht mehr aufgehört und hat dem dann auch gesagt, dass es ihm langweilig ist. Und dann bist du so … Also natürlich hätte ich mich ja dann immer noch in den Ruhebereich zurückziehen können.

00:25:43: Maxi Ja, obwohl in den Ruhe Bereich gibt es ja in der S-Bahn nicht.

00:25:45: Linda Das stimmt, ja. Oder im Bus. Ja, in der S-Bahn … Oder im Bus. Ja, also ich finde das immer so manchmal auch sehr amüsant, was man dadurch alles so mitbekommt. Ja, ich lausche auch gerne. Und ich stelle mir dann auch immer den Gesprächspartner vor oder die Gesprächspartnerin, wie der oder die aussieht. Wenn ich merke, okay, ich kann mich auf meine Sachen, die ich hier gerade machen wollte, nicht mehr konzentrieren, dann muss ich umswitchen.

00:26:05: Maxi Da muss man ja auch zuhören.

00:26:07: Linda Das geht ja nicht anders. Ja, und dann denkt man: Interessant. Aber weißt du, manchmal so dieses, Sage ich jetzt … Nein, Ach, ich bin ja gar nicht involviert.

00:26:14: Maxi Ich bin ja gar nicht gefragt. Mir ist es schon einmal, glaube ich, passiert, dass ich das dann kommentiert habe, nachdem ein langes Telefonat war, weil es so intim dann so war und dann irgendwelche Beziehungsprobleme und dann da so laut drüber geredet wurde. Ich dachte: Die braucht jetzt eigentlich einen Rat.

00:26:28: Linda Und wurde das dann angenommen oder war das eher fatal, weil du dich danach noch …

00:26:33: Maxi Nein, die fand das total witzig. Ach so, okay. Ja, zum Glück. Kann auch schiefgehen. Noch mal zurück zum Klimaschutz: Was meinst du, wie groß ist die Rolle, die der ÖPNV dabei spielt?

00:26:44: Linda Sehr groß. Das ist ja einfach eine Alternative. Ich meine, guck dir einfach morgens an, Rush Hour, was auf den Straßen los ist. Das wird ja nicht weniger, auch wenn die Straßen gefühlt immer enger werden und es immer mehr Einbahnstraßen gibt und so. Also die Autos werden immer riesiger, die Straßen umso enger und Stau, Stau, Stau.

00:27:08: Maxi Was würde für dich aber die Großstadt oder den Alltag in der Großstadt vielleicht noch lebenswerter machen?

00:27:14: Linda Also es kommt, glaube ich, drauf an, wo man wohnt. Wenn du so ziemlich zentral wohnst – ich habe das Glück – und bei mir fahren die Busse alle fünf bis zehn Minuten oder so im Siebenminuten-Takt, was super ist. Wenn du ein bisschen weiter außerhalb wohnst und du da aber eine größere Frequenz trotzdem hast, dass du da zumindest irgendwie so einen Zehnminuten-Takt hinbekommst und nicht 20, weil das ist ja dann manchmal so knapp verfehlt und dann so …

00:27:40: Maxi Jetzt 20 Minuten hier stehen.

00:27:41: Linda So, dann hast du Nieselwetter und denkst so … Also so was einfach irgendwie gucken, wie kriegt man es hin. Vielleicht ist es auch irgendwann, dass du KI generiert fährst ohne echten Fahrer. Das kann ich mir immer noch nicht ganz vorstellen, aber vielleicht sind wir irgendwann soweit, so eine Frequenz hinzubekommen. Und auch so dieses Angebot mit diesen Fahrradstationen und so, dass du dann denkst: Okay, habe ich jetzt nicht bekommen, aber ich habe da die Möglichkeit, dass man dann einfach mehr Fahrräder … Oder vielleicht hat man auch irgendwann so ein Gutscheinmodell, weißt du, in der Stadt, dass man sagt: Wir kriegen mit, wenn du halt öfter Bus und Bahn fährst, dann kriegst du irgendwie eine Belohnung. Dann kannst du in der Eisdiele im Sommer 50% weniger bezahlen für Eis. Ja, den Fahrschein abgeben und den entgegen was eintauschen. Ja, genau.

00:28:29: Maxi Ja, dann lass doch der Haltestelle treffen und von da zusammen weiterfahren.

00:28:32: Junge Frau Ich sitze im ersten Wagen, okay?

00:28:34: Maxi Ich sitze hinter der jungen Frau, die gerade die Sprachbericht verschickt. Ihr und ich. Wir machen das ja jetzt hier schon ein paar folgen, aber ich denke immer wieder: Wie cool ist es, dass es diese Form der Mitfahrgelegenheit gibt? Keine Parkplatzsuche, kein Rumgekurve, keine Abgase. Und ein Drittel von uns nutzt das ja auch täglich. 26 Millionen circa. Das ist schon crazy, oder? Aber die Frage ist ja, wie man die anderen dazu bewegt. Dass noch Luft nach oben ist, ist ja klar. Ob Mojib Latif uns zutraut, dass wir das hinkriegen? Ausstieg, links.

00:28:28: Prof. Dr. Mojib Latif Teil 2

00:29:09: Maxi Was kann denn jetzt die Privatperson machen, ihren CO₂-Abdruck zu verringern? Ich meine, man sagt ja immer, die großen Millardäre, die großen Firmen, die verschmutzen unsere Umwelt mit ihren Produktionen, mit ihrem Sucht nach Wachstum. Was kann die Privatperson denn schon verändern?

00:29:26: Mojib Man muss eben doch noch mal deutlich dass es ein globales Problem ist. Ich will das auch noch mal erklären, weil wenn wir CO₂ ausstoßen und CO₂ ist nun mal das wichtigste Gas bei der globalen Erwärmung, dann verweilt es unendlich lange in der Luft. Das heißt also, es kann für Jahrhunderte, zum Teil für Jahrtausende in der Luft verweilen. Das heißt, der Ort des Ausstoßes ist völlig irrelevant. Und deswegen stehen wir als Menschheit vor einem Problem, das wir noch nie hatten. Wir müssen alle etwas tun.

00:30:00: Maxi Gemeinsam.

00:30:00: Mojib Gemeinsam, genau, weil der Ort des Ausstoßes ist irrelevant. Also wenn wir jetzt kein CO₂-Ausstoßen und es passiert woanders, in China oder Amerika oder sonst wo, haben wir wenig gewonnen, weil wir haben ja nur in Anführungsstrichen einen Anteil von zwei Prozent an den weltweiten Emissionen als Deutschland. Das heißt nicht, dass wir nicht was tun sollen, aber trotzdem, es reicht eben nicht. Und deswegen sollte man den Menschen nicht einreden, dass sie das Klima retten können, dass sie die Welt retten können. Aber klar, wir haben einen Vertrag unterschrieben, den Pariser Klimavertrag, und deswegen müssen wir unseren Beitrag leisten. Und deswegen muss auch jeder Einzelne was tun. Da kann sich niemand wegduken. Und ich meine, das hängt jetzt von der persönlichen Lebenssituation ab, was man machen kann. Ich hier in einer Großstadt, habe natürlich andere Möglichkeiten, als jemand, der auf dem Land lebt. Deswegen kann ich nur sagen, was ich mache. Also ich fahr gerne Fahrrad. Ja, mache ich jetzt gar nicht so sehr aus Umweltschutzgründen, sondern weil das auch flexibel ist, weil man auch was für seinen Körper tut und so weiter. Wenn ich Auto fahre, wie gesagt, wir haben ein E-Auto, aber das war auch der Fall, dass ich noch einen Verbrenner hatte, fahr ich nur 100 auf der Autobahn.

00:31:10: Mojib Da kann man übrigens sehr viel Geld mit sparen. Das habe ich ja ausprobiert und auch Reichweite beim E-Auto. Dann, wie gesagt, öffentliche Nahverkehrsmittel nehme ich gerne. Ich liebe mein 58-Euro-Ticket. Da kann man ja viel mit machen. Und schön wäre es gewesen, wenn es beim 9 Euro-Ticket geblieben wäre. Absolut. Weil 58 Euro, finde ich, ist schon viel Geld. Kann sie nicht jeder leisten. Die kann sie wirklich nicht jeder leisten. Deswegen, finde ich, muss Klimaschutz auch irgendwie sozial ausgestaltet werden und das ist im Moment nicht der Fall. Wir machen Klimaschutz für Reiche. Und das ist auch einer der Gründe dafür, glaube ich jedenfalls, dass Klimaschutz bei großen Teilen der Bevölkerungen inzwischen verpönt ist, weil sie immer nur das Gefühl haben, sie werden belastet und dann haben sie keinen Bock auf Klimaschutz. Das kann ich auch gut nachvollziehen. Das heißt also, eine vernünftige Klimaschutzpolitik ist eben sozial ausgewogen.

00:32:05: Maxi Wir haben es ja sehr, sehr mitbekommen. Letzte Woche waren sehr hohe Temperaturen. Jetzt regnet es wieder, es sind 20 Grad kälter. Es gibt Menschen, die ja auch den Klimawandel leugnen, die immer sagen, das gibt es nicht Das Klima hat sich schon immer verändert, es gab schon immer extreme. Wie stehen Sie dazu?

00:32:19: Mojib Ja, das sind Menschen, die sich einfach gegen die Wissenschaft stellen. Wir erleben es ja gerade in den USA, wie sehr die Wissenschaft inzwischen unter Druck gerät. Ich weiß es ist ja auch persönlich, weil ich Kontakt mit Kollegen in den USA habe, wie schwer es inzwischen dort ist für Wissenschaft. Und das Argument, das ja immer kommt, dieses Klima hat sich immer gewechselt, geändert und deswegen warum sollte man sich aufregen? Der fundamentale Unterschied gerade ist einfach die Geschwindigkeit. Klar gab es vor, ich weiß nicht, zig Millionen Jahren mal extrem hohe Temperaturen, aber die haben sich auch über ein paar Millionen Jahre entwickelt. Was jetzt passiert, das entwickelt sich innerhalb von Jahren, von Jahrzehnten. Und da kann einfach die Natur nicht mithalten, wir Menschen schon gar nicht. Und das ist sozusagen die neue Qualität, diese extreme Geschwindigkeit.

00:33:13: Maxi Ja, das kann man das nächste Mal dann entgegnen, wenn man wieder mit einem Klimaleugner diskutiert.

00:33:17: Mojib Ja, man kann mit denen nicht diskutieren. Also es sind ja sehr, sehr viele. Ich wusste es auch vorher schon, dass es mehr sind, als es in den Umfragen zum Beispiel zum Ausdruck kommt, weil viele Leute kennen mich inzwischen, sprechen mich an und die erste Frage ist eigentlich immer: Ist es denn wirklich so? Und da kommt genau diese Sache aus. Es hat ja immer Eiszeiten gegeben, Warmzeiten und so weiter. Das heißt, ich glaube tatsächlich, dass die Anzahl derer, die gar nicht daran glauben, was wir sagen in der Wissenschaft, ziemlich hoch ist. Und das kommt auch so langsam jetzt in den Wahlergebnissen zum Ausdruck. Ich glaube, es gibt viel mehr Klimaleugner. Ich will sie gar nicht Klimaleugner nennen, aber Skeptiker vielleicht, die eben jetzt Morgenluft wittern und deswegen denken, es kann alles so weitergehen. Es ist auch menschlich. Also es ist bequem einfach, wenn man sagt: Okay, gibt doch gar kein Problem. Wir müssen nichts tun. Alles kann so bleiben, wie es ist. Wenn das Blöde ist, wenn alles so bleibt, wie es ist, werden wir ja letzten Endes alles verlieren, was wir uns aufgebaut haben, inklusive Wohlstand.

00:34:20: Maxi Gut, wir waren jetzt bei den USA, bei den aktuellen politischen Strömungen in den USA, über Klimaleugner. Wir haben auch eine neue Regierung in Deutschland. Wie geht die gerade mit dem großen Problem des Klimawandels um?

00:34:32: Mojib Ja, ich habe das Gefühl, dass das Thema irgendwie hinten runtergefallen ist. Das heißt, also jetzt heißt es nur noch, die Wirtschaft geht vor und alles andere muss man der Wirtschaft unterordnen. Man sieht es eben auch bei den bisherigen Maßnahmen, die getroffen worden sind oder die nicht getroffen worden sind. Deswegen ist zu befürchten, dass wir unsere Klimaziele nicht einhalten können. Das sage ich jetzt nicht ich, sondern das sagt der Expertenrat der Bundesregierung, dass wir zwar bis 2030, also in den nächsten fünf Jahren, sozusagen noch von denen profitieren, weil wir das hier gemacht haben in den letzten Jahren, aber jenseits von 2030 wahrscheinlich unsere Ziele komplett verfehlen werden. Und das wird ja jetzt auch schon diskutiert, irgendwie das Jahr für die Klimaneutralität hinauszuzögern, also das infrage zu stellen, dass Jahr 2045, dass Deutschland sich als Ziel gesetzt hat. Also das ist keine guten Vorzeichen, muss ich sagen. Und Deutschland ist da auch nicht alleine. Also das Das ist ja irgendwie der Zeitgeist.

00:35:31: Maxi Ja, aber was müsste denn die Bundesregierung eigentlich gerade machen?

00:35:36: Mojib Also eins ist ganz wichtig und das haben ja viele Unternehmer und Unternehmerinnen auch gesagt: Man muss endlich mal Kurs halten. Man kann nicht immer so einen Zickzackkurs fahren. Also entweder Heizungsgesetz oder kein Heizungsgesetz. Jetzt soll ja das Heizungsgesetz wieder abgeschafft werden. Wärmepumpe ja oder Wärmepumpe nein, Elektromobilität ja oder Elektromobilität nein. Das ist Gift für die Industrie. Die Sie können sich nie auf irgendwas einstellen und deswegen geht auch beim Klima nichts voran. Wenn es ganz klar wäre, ihr macht bis, weiß ich nicht, 2030, 2035 keine Verbrenner mehr und da wird nicht dran gerüttelt, dann wären wir, glaube ich, schon viel weiter bei der Elektromobilität. Und mein Problem ist einfach, es heißt immer Wirtschaft first, aber wir machen genau das Gegenteil. Wir verpassen alle Zukunftstechnologien. Und gerade bei der E-Mobilität, man muss ja gucken: Wo sind die Absatzmärkte der Zukunft? Ich meine, einer der größten Absatzmärkte China. Und in China kriegen sie kaum noch einen Verbrenner zugelassen. Ich frage mich: Wo wollen wir mit unseren dicken Verbrennern eigentlich noch hin? Und das ist einfach das, was ich nicht verstehe. Weitsichtige Politik würde doch unser Wohlstand sichern und nicht durch diesen Zickzackkurs irgendwie aufs Spiel setzen.

00:36:51: Maxi Also Innovation geht flöten und wir beruhen uns einfach auf das, was schon immer funktioniert hat und denken, damit können wir Wirtschaftswachstum voranbringen. Genau.

00:36:57: Mojib Und es gibt ja so ein altes Sprichwort: Stillstand ist Rückschritt und das gilt in der Wirtschaft natürlich ganz genauso. Wir müssen uns verändern, aber im Moment ist irgendwie so die Philosophie: Nein, bloß nicht verändern. Aber ich meine, wenn wir uns nicht verändern, werden wir verändert, und zwar zu unserem Nachteil.

00:37:15: Maxi Ich frage mich, seit wie vielen Stunden der Typ schon unterwegs ist, in den Öffis zu spielen. Und was er wohl damit verdient? Jedes Mal, wenn so eine Situation in einer Bahn auftritt, sind es nicht wenig Leute, die dann irritiert sind. Wahrscheinlich, weil es so undeutsch ist, laut vor anderen zu singen oder weil sie diesen Menschen nichts geben wollen oder weil sie genervt sind, weil ihre Kopfhörer gegen den Sound nicht ankommen. Ich finde das übrigens ein irres Phänomen, wie leise wir reden oder gar nicht miteinander sprechen. Wenn man in Paris mit der Metro fährt oder in Barcelona zum Beispiel, das ist total anders. Aber deutsch sein heißt auch leise sein. Unser Signature-Sound: Psst. Ich schaue mich um Und natürlich sind alle mit ihren Handys beschäftigt. Ich weiß, ich weiß, ich kann diese Beobachtung ja auch nicht mehr hören. Aber dennoch, alle sind hier so in ihrem Mikrokosmos versunken, in ihrem Algorithmus, dass ich so denke: Mann, kein Wunder, dass wir uns nicht die größere gemeinsame Sorge kümmern. Vielleicht gucken ein paar von den Leuten gerade irgendwelche Reels oder TikToks über Unwetter in Südamerika. Vielleicht hat jemand hier Freunde oder Verwandte im Ahrtal. Kann alles sein. Aber wie sollen wir einen Umgang damit finden, wenn wir nicht miteinander sprechen, wenn wir uns nicht über unsere Sorgen austauschen, wenn wir kein Gefühl von einem Wir haben.

00:38:37: Maxi Mir ist schon klar, dass ein Bahnabteil keine Gruppentherapie ist. Aber dadurch, dass wir so coconartig abgekapselt durch die Gegend fahren, in unseren Screens versinken und durch Reels so lange scrollen, bis wir sie mit der Realität verwechseln, verlieren wir das Gefühl für das, was uns herum geschieht, für das Gemeinsame. Wir sind verdammt viele. Gar nicht auszudenken, was geschehen würde, wenn wir uns zusammen tun. Es treibt mich echt das, dass wir den Klimaschutz nicht als etwas wahrnehmen können, was wir gemeinsam haben, was uns alle betrifft, was wir auch zusammen zu verantworten haben und gemeinsam lösen können. Zum Beispiel, indem wir Öffis fahren. Ihr seid doch garantiert schon mal in einer S-Bahn eingedöst. Also ich meine, das ist der Beweis. In Bus und Bahn kann man sich am Klimaschutz sogar im Schlaf beteiligen.

00:39:30: Frau Hey, sorry. Darf ich?

00:39:32: Maxi Ich schaue hoch von meinem Handy und sehe eine junge Frau samt ihrer Tochter, die vielleicht fünf Jahre alt ist. Ich grinse, nicke und rücke etwas zur Seite. Die Tochter krabbelt sofort auf den Schoß ihrer Mutter. Sie holt ein Buch aus ihrer Handtasche. Ihr wisst es doch eh. Natürlich blinzele ich rüber und will den Titel vom Buch sehen. Groß genug, die Welt zu retten. Ich denke an die Gespräche mit Linda Zerwakis und Mojib Latif. Schau an mir herunter. Ich bin groß genug. Wir sind alle groß genug, die Welt zu retten. Natürlich klingt das kitschig, aber wer ist in diesen Zeiten nicht ready für ein bisschen Cheesiness?

00:40:13: Maxi Apropos kitsch. Ich will mich an dieser Stelle unbedingt mal bedanken, dass ihr diesen Podcast hört und uns so fleißig Feedback gebt und es in euren Stories teilt. Macht weiter so. Wir machen ja auch weiter. Wir sehen uns in der nächsten Folge. Oder hören uns. Ja, wir hören uns.

00:40:35: Maxi Ticket to Anywhere ist ein Podcast der Zukunft Nahverkehr in Zusammenarbeit mit der dpa. Host bin ich, Maximilian Mundt, Skriptautorin: Inga Wessling, Autor und Producer: Claus Schwartau, Redaktion: Charlotte Witt und Alicia Windzio. Executive Producer dpa: David Krause, Sounddesign: Sebastian Dressel, Musik: Henning Neidhardt, Ton: David Bader, Dirk Feistel und Saskia Hahn. Team-lead Social Media: Oliwia Nowakowska. Initiative Zukunft Nahverkehr: Chiara Giordano und Laila Mahmood.

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