Be verkehrful! – mit Lutz van der Horst
Shownotes
„Ich drehe schon seit Stunden hier so meine Runden. Ich finde keinen Parkplatz, ich komm’ zu spät zu Dir, mein Schatz!” Na, den Grönemeyer-Klassiker erkannt? Alles ist dicht. Voll. Laut! Wir sehen vor Autos die Stadt kaum noch. Aber muss das wirklich sein? Wie kann man die Städte neu denken? Darüber spricht Maxi mit Comedy-Autor, Moderator und Köln-Ikone Lutz van der Horst. Auf seinem nächsten Stop trifft Maxi Tarek Al-Wazir. Als Vorsitzender des Verkehrsausschusses beschäftigt Tarek sich den ganzen Tag damit, wie wir besser vorankommen. Im Interview erklärt er, warum die Städte so gestaltet wurden, dass es vor allem den Autos gut geht, wo investiert werden muss und wie wir ein mobiles Miteinander schaffen, von dem alle profitieren.
Game Changer autonomes Fahren? Was gerade in Offenbach und Hamburg passiert, seht Ihr hier:
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00:00:04: Maxi
00:00:00: Intro Ich sitze hier gerade in der S-Bahn und der ganze Wagen ist voll mit Fußball-Fans. Der Witzbold in mir will natürlich sofort laut durch den Wagen rufen, ob mir hier irgendwer mal final abseits erklären kann. Das tue ich natürlich nicht.
00:00:19: Maxi Hot Take. Öffis sind für mich einfach diese eine große Stretch-Limo, die wir uns alle gönnen und teilen. Und in dieser öffentlichen Limousine kommen wir uns auch ganz schön nahe. Ihr und ich, Bein an Bein Oder Schulter an Schulter, an den Halteschlaufen, im Stehen, die Station zählen. Wir sitzen hier also alle in einem, na ja, nicht Boot, aber eben in einer Bahn oder einem Bus. Sorry, ich stelle mich erst einmal vor. Mein Name ist Maximilian Mundt. Ihr kennt mich vielleicht vom Sehen und jetzt eben auch vom Hören, denn das hier ist eben ein Podcast, und zwar über den öffentlichen Personennahverkehr. Ich verabrede mich mit Menschen, die den ÖPNV privat nutzen, professionell gestalten, ihr Geld damit verdienen oder eine Meinung dazu haben. Was lieben wir an unseren Öffis? Was frustriert uns?
00:01:07: Maxi Welche Epic-Erlebnisse hatten wir daran? Apropos Fußball: Ich bin im Grunde euer Oliver Bahn. Wegen Bahnkahn. Egal.
00:01:20: Maxi Das hier ist Ticket to Anywhere. Let's talk Nahverkehr.
00:01:26: Maxi Wohin mein Ticket geht, fragt ihr. Ich fahr zu meiner Oma. Agenda, der Klassiker. Das Internet auf ihrem Smartphone geht nicht mehr. Also bringe ich es zum Laufen. Meine Oma und ich funktionieren super zusammen. Wir waren schon immer ein gutes Team und seit sie ein Handy hat, bin ich in der Favoritenliste auf der Eins.
00:01:43: Maxi Natürlich, Enkel goal. Und klar, wenn sie nur Bahnhof versteht, klingelt bei mir das Telefon.
00:01:49: Maxi Apropos Bahnhof: Fahren wir los? Schon, oder?
00:01:57: Sprecher 1 Welcome to the ticket to anywhere show.
00:02:10: 1 Highway to Leave Your Lover
00:02:05: Maxi Psst, hört ihr das? Sie steht ein paar Meter von mir entfernt an der Bushaltestelle und hat ihre Kopfhörer auf. Und sie singt mit. Ich lieb das ja, wenn Leute so sehr vergessen, dass sie gerade draußen sind. Also ich gewinne eher Performance Grammys, wenn ich dusche oder koche. Aber da singe dann so richtig mit. Oh, so, ich hüpfe mal fix in den Bus hier und würde sagen: Wir steigen ein. Der Bus ist unfassbar voll und es reicht gerade so für einen Stehplatz. Sorry. Ich bin hier irgendwem gerade akkurat auf seinen Fuß getreten. Ich schaue in alle Himmelsrichtungen und grinse einfach jeden vor, neben und hinter mir an, weil es nicht klar ist, zu wem hier welcher Fuß gehört. Mein Blick geht nach rechts in die Straße, in die der Bus eigentlich abbiegen will. Stau. Man sieht die Stadt vor lauter Autos nicht. Ich habe das Gefühl, von einer autofreien Stadt sind wir wirklich kilometerweit entfernt. Ich meine, wo wollen denn schon wieder alle zur gleichen Zeit hin? Komm, das denkt ihr doch auch manchmal, oder? Und unsere Sehnsucht nach Ruhe ist ja auch berechtigt. Die Sehnsucht nach weniger Menschen, die auf engem Raum sind, nach weniger Lautstärke, mehr Ruhe im öffentlichen Raum hätte ja auch einen positiven Impact auf unsere Umwelt.
00:03:34: Maxi Wenn wir uns vorstellen, dass die Großstädte in Deutschland zum Beispiel autofrei wären. Gent, Oslo und Barcelona sind zum Beispiel ja solche Städte. Also nicht komplett autofrei, aber nahezu. Ich stelle mir gerade meine Stadt Hamburg ohne Autos vor. Eine Reeperbahn ohne Autos, eine Alsterrunde ohne Autos, Schanzenviertel ohne Autos. Wäre da nicht auch weniger Personal beim Ordnungsamt nötig? Weniger Strafzettel für Falschparker, weniger Unfälle, die weniger Einsatzwagen bedeuten. Das kostet doch auch alles. Könnte man doch tippitoppi in die Öffis pumpen. Ja, da kann ich jetzt auch nichts machen. Das dauert jetzt hier noch ein bisschen. Wer aussteigen will, ich mache die Tür noch mal auf. Ich bleibe in diesem Bus. Oma versetzt sich nicht. Leute, noch Hör mal in diesem Bus. Geht mir mal kurz eine Sekunde. Ich muss meiner Oma noch mal Bescheid sagen, dass sich das alles weiter verzögert. Hallo Maxi, alles in Ordnung. Gut, dass du Bescheid sagst.
00:04:43: Hannelore Sag mal, erinnerst du dich noch an unseren Superstau damals?
00:04:47: Maxi Oh mein Gott. Meine Oma und ihr Gedächtnis. Sie hat total recht. Daran habe ich ewig nicht gedacht. Also ich erzähle es euch natürlich. Die Geschichte ist zu gut. Meine Oma und ich wollten im Sommer ins Schwimmbad fahren. Ich muss ungefähr 13 Jahre alt gewesen sein und wir nahmen den Bus. Es war eine ordentliche Strecke, für die der Bus auch ein paar Kilometer über eine Stadtautobahn fahren musste. Es war vormittags und wir stiegen in einen fast leeren Bus ein. Außer uns saßen darin nur ein junges Paar und noch zwei Freundinnen. Es lief alles wie geplant, bis wir auf die Autobahn fuhren und plötzlich nichts mehr ging. Die komplette Die Autobahn war dicht. Meine Oma und ich schauten aus dem Fenster. In den Autos uns herum konnte man erkennen, wie teilweise wild diskutiert wurde oder die Fensterscheiben runtergefahren wurden, sodass man den obligatorischen Unterarm abstürzen konnte. Geschäftsleute tippten wild in ihren Handys und andere drückten genervt die Knöpfe am Radio, wahrscheinlich in der Hoffnung, dass dort die Durchsage kommt, wie lange dieser Stau überhaupt noch andauert. Um uns herum war Stillstand.
00:05:56: Busfahrer Ich habe gerade die Information erhalten, dass ein Hund auf der Fahrbahn unterwegs ist und das ist der Grund für diesen Stau.
00:06:03: Maxi Ich verstand das mit 13 Jahren einfach nicht. Wie kommt denn ein Hund auf die Autobahn? Gut, vielleicht war er jemandem weggelaufen oder ist aus einem Autofenster gesprungen. Während ich an den Hund dachte, kniff meine Oma mich in die Seite.
00:06:18: Maxi Maxi, schau mal. Da links. Ich schaute nach links in ein Cabrio. Am Steuer saß ein Mann und eine Frau auf dem Beifahrersitz. Sie schienen sehr wild zu diskutieren. Schlechtes Timing für eine Beziehungskrise, kicherte meine Oma. Ich sage ja, getrennte Schlafzimmer und getrenntes Verreisen. Ja, Hane-Lora hatte alles im Blick, denn ich sah erst jetzt, dass auf der Rückbank zwei Koffer lagen und sie wahrscheinlich recht hatte, dass dieses Paar eigentlich in All-inclusive-Laune war. Aber ihren Gesichtsausdrücken nach war das nicht Holiday, sondern eher Holy Shit. Nein, Maxi, das glaube ich ja nicht, guck mal, die Frau steigt jetzt aus. Die Frau stieg jetzt wirklich wutentbrannt aus dem Auto, zog ihren Koffer von der Rückbank und lief auf unseren Bus zu. Der Busfahrer öffnete die Tür, sie stieg ein und schrie: Ein Tagesticket, bitte. Der Busfahrer grinste und sagte: Ihre Fahrt geht auf mich. Sie grinste zurück und schaute dann zu meiner Oma und mir und lief instinktiv auf uns zu und setzte sich vor uns in die Reihe. Hannelore sprach sie natürlich sofort an. Entschuldigen Sie, hier im Bus stehen Sie jetzt aber auch im Stau? Die Frau grinste sie an: Wissen Sie, mit dem Mann da stehe ich seit drei Jahren im Stau.
00:07:44: Maxi Das hier ist heute ein Kinderspiel für mich. apropos Kinderspiel, zog meine Oma als Nächstes ein Kartenspiel aus ihrer Badetasche. Im Schwimmbad zockten wir immer gerne und so kam es, dass wir nun zu dritt in diesem Bus Mau-Mau spielten. Wissen Sie, das alles hier liegt wohl an einem Hund, der auf der Autobahn rumläuft. Deshalb ist der Stau, sagte ich zu der Frau. Sie grinste mich an und sagte nur: Na, dann sind es jetzt ein Hund und ein Schwein, die hier den Verkehr aufhalten Und die Moral von der Geschichte? Also ich verstehe nicht, wie man auf eine Runde Mau Mau verzichten will, nur, selber am Steuer zu sitzen. Wenn ich jetzt so an diese Situation von damals denke, wäre es der perfekte Kinospot für eine Werbung für den Personennahverkehr gewesen. Und am Ende hätte der Aufsprecher dann so was Freches gesagt, wie Abfuhr, Abfahrt. Ich laufe hier gerade diese Fahrradstraße zur nächsten Bushaltestelle entlang. Wisst ihr, was mir auffällt? Grün. Da wächst Rasen aus der Straße, weil sie nicht komplett versiegelt ist. Wenn man erstmal anfängt, darauf zu achten, checkt man, wie sehr wir uns vor in unseren Städten komplett dicht betonieren.
00:09:02: Maxi Städte wie Amsterdam, Oslo, Stockholm, Kopenhagen und überraschenderweise auch Frankfurt sind dagegen ganz weit oben in ihrer Umweltfreundlichkeit. Wenn wir jemand eine SMS schreibt, ist das 5 vor E-Mail. Sekunde, ich checke mal kurz. Bin schon am vereinbarten Treffpunkt. Du erkennst mich an meinem Personalausweis in der Tasche. Was? Ja, ich treffe jetzt Lutz Van Der Horst. Der wohnt ja in Köln und ich glaube, das ist jetzt nicht gerade das deutsche Kopenhagen. Auch da geht es noch grüner.
00:09:42: Lutz van der Horst Teil 1
00:09:43: Maxi Hallo Lutz. Hi. Vielen Dank, dass du uns hier in deiner aufwendig gestalteten Empfangshalle empfängst. Gerne doch. Schön, dass du auch hier so einen Tisch hast. Perfekt für ein nettes Gespräch. Wir befinden uns in Köln. Warum hast du hier dein Haus gebaut?
00:09:56: Lutz Ja, ich bin ja ein kölscher Jung. Ich bin ja in Köln geboren. Und wenn man … Also Kölner bleiben meistens auch da. Ist ja alles schön. Gerade wenn man Fernsehen macht, macht es auch Sinn. Also ich werde hier sterben.
00:10:09: Maxi Okay. Und du hast mir gleich ein Gastgeschenk mitgebracht.
00:10:12: Lutz Das war aber ein Zufall eher.
00:10:13: Maxi Vielen Dank.
00:10:14: Lutz Ja, sehr gerne. Ja, ich hab die falsche Größe gekauft. Also ich habe fünf Pakete gekauft. Ich kaufe dann immer auf Vorrat. Und das ist leider Größe M und ich brauche aber L und …
00:10:22: Maxi Ja, mir werden die bestimmt passen. Und das passt ja gut, weil ich seit zweieinhalb Wochen nicht zu Hause war. Ja, siehst du. Und ich brauche neue Unterhosen. Ich habe jetzt schon einmal Unterhosen im Waschbecken gewaschen. Aber ziehst du Unterhosen sofort an oder wäschst du die vorher?
00:10:35: Lutz Also meistens wasche ich nicht, sonst zieh's einfach an.
00:10:40: Maxi Beim ersten Mal direkt? Ja. Ich hab ja gehört, dass da sehr viele Hemi Kajun noch drin sind.
00:10:44: Lutz Ja, ich auch, aber ist mir egal.
00:10:45: Maxi Ja, mein Gott.
00:10:47: Lutz Aber was für ein schöner, intimer Moment. Wir kannten uns ja vorher gar nicht, wenn direkt so ein Unterhosen austauscht.
00:10:50: Maxi Das stimmt. Gut, du, wenn ich Lutz Van Der Horst höre, dann denke ich an die Heute Show, an Currywurst essen mit Haselburger und an die Stunde danach vom Dschungel kennen. Was? Woran denkst du denn oder wer bist du, wenn du dich jetzt beschreiben wolltest?
00:11:10: Lutz Also ich glaube, die erste Assoziation ist immer heute Show und Politik. Aber ich glaube, ich würde jetzt nicht sagen, dass ich … Also ich bin jetzt kein Kabarettist oder so was. Oder ich mache ja erstmal Unterhaltung und mache erst mal das, was ich lustig finde. Und das können auch ganz andere Sachen als Politik sein. Und ich mag es wirklich auch immer, neue Sachen auszuprobieren. Deswegen dachte ich, ich komme jetzt einfach mal zu dir und spreche über die Bahn. Ja, herrlich. Warum denn nicht?
00:11:35: Maxi Ja, über den öffentlichen Nahverkehr sprechen wir vor allem. Du bist Kölschiogen, du bist in einer Großstadt aufgewachsen. Köln ist ja auch eine Großstadt, ne?
00:11:43: Lutz Wirklich in der Innenstadt auch.
00:11:44: Maxi Ja, Würdest du sagen, Köln ist eine Großstadt?
00:11:47: Lutz Also Köln behauptet eine Großstadt, muss man sagen. Aber es ist ja tatsächlich, hat Köln auch was sehr Dörfliches. Ich wohne jetzt in Ehrenfeld. Ja, schön. Und das ist einfach toll, weil das ist einfach so ein Fädel, wie man ja in Köln sagt. Und du gehst raus und alle grüßen dich und du hast deinen Platz, wo du sitzt und deine Kafés und so. Und das könnte auch auf dem Dorf sein, sage ich mal. Also es hat, ich sage mal, so die Offenheit einer Großstadt, die Toleranz, die Köln ja hat, aber es hat auch das Gemütliche eines dörflichen Lebens.
00:12:16: Maxi Und aber auch das Verkehrsnetz einer Großstadt. Ihr habt eine S-Bahn, ihr habt eine Straßenbahn, ihr habt eine U-Bahn. Ja, U-Bahn.
00:12:24: Lutz Ich meine, streng genommen fährt sie ja auch nicht immer unten, muss man sagen. Ja. Also U-Bahn ist ein großes Wort für in das, was die KV ist.
00:12:30: Maxi In Hamburg auch so ein Ding ist.
00:12:32: Lutz Aber es ist ja nicht schlimm. Ich zum Beispiel fahr immer lieber, wenn ich die Wahl habe, fahr ich natürlich lieber oberirdisch, guck ich aus dem Fenster und ich hab was zu sehen. Es ist schön hell.
00:12:40: Maxi Und kannst du dich an deine letzte Fahrt erinnern? War die heute? Ja klar.
00:12:44: Lutz Ich bin zuerst mit der S-Bahn von Ehrenfeld zum Hansaring und dann eine Station mit der KVW vom Hansering zum Mediapark.
00:12:54: Maxi Ja.
00:12:55: Lutz Weil ich, wie gesagt, gerne überirdisch fahre, dann nehme ich gern die S-Bahn für die kleine Strecke.
00:12:59: Maxi Bist du sehr zufrieden mit der Anwendung hier in Köln?
00:13:01: Lutz Ich bin super zufrieden, weil ich ja, wie gesagt, ich wohne ja in Ehrenfeld und ich wohne wirklich direkt, also ziemlich nah am S-Bahnhof Ehrenfeld. Und deswegen habe ich die S-Bahn und dann habe ich die Drei, die Vier und die Fünf und dann habe ich die 13, die jetzt leider nicht mehr bis Wenn ich in Mülheim fährt, wegen Bauarbeiten. Das dauert, glaub ich, noch was. Mülheimer Brücke, na ja. Und insofern bin ich top zufrieden.
00:13:22: Maxi Aber wenn du jetzt mal einen Tag lang Stadtplaner spielen könntest, was würdest du jetzt an deiner Heimatstadt verändern?
00:13:29: Lutz An Köln? Ja. Wie lang geht der Podcast? Ich dachte, das ist nur eine Stunde.
00:13:34: Maxi So viel würdest du es ändern? Ich dachte, du liebst deine Stadt.
00:13:36: Lutz Natürlich liebe ich die Stadt, aber sie ist halt hässlich. Ja. Und das liegt natürlich daran, ja, letztendlich wurde die Stadt halt im Krieg zerstört und die wäre bestimmt super schön, die Stadt. Aber dann musste man schnell alles wieder hochziehen. Und diese ganzen 50er-Jahre-Bauten? Also schön ist das nicht. Eigentlich müsste man noch mal komplett abreißen. Also Ehrenfeld nicht. Da wohne ich ja, das ist auch ganz schön. Aber eigentlich würde ich mir vorstellen können, komplett abzureißen. Dom stehen lassen, zu aufwendig, den wieder aufzubauen, dauert zu lange. Und dann noch mal von vorne anfangen.
00:14:06: Maxi Und was für Häuser? So wie der Dom? So was wie das Gotik?
00:14:10: Lutz Ja, warum denn nicht?
00:14:11: Maxi Gotisch.
00:14:12: Lutz Ja.
00:14:13: Maxi Ja, aber dann ist ja wirklich auch das ist ja schrecklich. Wollen ja alle nach Köln? Das stimmt, ja. Ich meine, die besten Menschen leben ja schon in Köln. Ja, das stimmt. Die Freundlichsten, die Warenherzesten. Stimmt, da muss die Stadt- Die Warenherzesten. Und dann ist die Stadt noch so wunderschön. Das wäre ja auch ein bisschen nervig. Es kommen ständig Touristen her.
00:14:26: Lutz Du hast total recht. Köln muss hässlich bleiben.
00:14:29: Maxi Ja nichts ändern.
00:14:31: Lutz Nein, auf keinen Fall. Was ja wirklich interessant ist an Köln, im Gegensatz zu anderen Städten, finde ich, es ist wahnsinnig eng. Also wenn ich dann so nach Berlin komme und du hast auf einmal … Es ist alles so weit, oder auch Städte im Osten, so in Magdeburg, wo ich sage: Hier ist ja richtig viel Platz. Aber ich glaube, die Menschen hier sind ja auch sich nahe und die schunkeln gerne, liegen sich im Arm, geben sich Bitzchen. Und vielleicht ist es gut, dass Köln so eng ist. Vielleicht sind die Menschen deshalb so nah.
00:15:00: Maxi Vielleicht. Vielleicht hätten die aber auch noch mehr Platz, wenn man ein bisschen weniger Parkplätze hätte. Ich bin schon ein paar Mal mit Carsharing hier gefahren und ich fand es sehr, sehr anstrengend, sehr schwierig, einen Parkplatz zu finden. Und was eigentlich nicht nötig ist, so viele Parkplätze hier zu haben oder so viele Straßen in Köln, weil es ja so eng schon ist.
00:15:18: Lutz Und wer hat deshalb kein Auto? Du. Richtig.
00:15:21: Maxi Brauchst du ja auch nicht.
00:15:22: Lutz Nein.
00:15:23: Maxi Du arbeitest ja auch viel in der Öffentlichkeit auf der Straße für die Heute Show, einfach Leute anquatschen, vom Kopf stoßen, konfrontieren. Warum machst du das im öffentlichen Raum?
00:15:36: Lutz Weil ich Geld verdienen muss. Ach so. Ist doch klar, Mensch. Tatsächlich bleibt das auch unangenehm. Also ich weiß noch, die ersten Male, wo ich Straßenumfragen gemacht habe oder Vox-Pops, wie man es ja auch gerne nennt. Richtig krass unangenehm. Also diese Überwindung. Du gehst zu fremden Leuten, die keinen Bock auf dich haben und fragst die was und ist wahnsinnig unangenehm. Das bleibt es auch. Es wird besser mit der Zeit, aber es bleibt unangenehm. Und wenn du oft so abgelehnt wirst, macht das auch was mit dir.
00:16:04: Maxi Kann ich verstehen, aber hast du das Gefühl, manchmal Leute haben schon Angst, wenn sie dich einfach privat auf der Straße nehmen, dass du sie gleich ansprichst und so ein Mikrofon aus der Hand kommt und sie …
00:16:12: Lutz Nein, das überhaupt nicht.
00:16:13: Maxi Wirst du oft erkannt?
00:16:14: Lutz Ja klar, Mann. Entschuldige mal. Ich habe schon den Eindruck, dass die Leute denken manchmal, ich wäre … Also ich spüre so einen Respekt, dass ich denen jetzt einen Spruch drücken könnte, was Quatsch ist, weil ich echt ein netter Mensch bin. Also ich mache das ja noch für die Kamera und das kostet dann auch echt Überwindung, immer wieder Leuten, auch gerade Politikern, dann so einen Spruch zu drücken.
00:16:36: Maxi Ja, ich mag das ja auch. Die Öffentlichkeit ist ja auch immer so ein Spiegel von: Was passiert gerade in der Gesellschaft? Wo sind die Leute gerade? Wie gut geht es denen oder wie schlecht geht es denen? Wenn wir jetzt über Klimaschutz sprechen, ist das ja auch ein großes Thema und du hast dich ja auch mal auf die Straße kleben, mit Klimaklebern. Ja. War das auch eine große Überwindung?
00:16:54: Lutz Ja, das war eine große Überwindung, deshalb, weil ich habe ja eine Anzeige kassiert.
00:17:00: Maxi Oha.
00:17:00: Lutz Also ich wurde ja dann auch wirklich festgenommen. Es kam ja dann wirklich, die Polizei hat mich mitgenommen und dann stand ich da erst mal zwei Stunden im Regen, eingekesselt von den Polizisten. Und dann denkt man sich schon so: Okay, und wie geht das jetzt weiter? Was ist das wert? Und dann hieß es aber irgendwann: Nein, also sie würden von einer Anzeige absehen, weil man hätte doch den satirischen Hintergrund erkennen können. Ich saß ja da angeklebt mit einer Automotorsport. Also es war klar, sie meinten, das wäre klar als Satire zu erkennen gewesen.
00:17:29: Maxi Und dann kriegst du keine Anzeige?
00:17:30: Lutz Und dann kam trotzdem die Anzeige. Doch, dann kam plötzlich zwei, drei Wochen später trotzdem eine Anzeige, wo ich mir dachte: Ja, scheiße, und das musste dann doch mit Anwalt geklärt werden. Aber ich glaube, dass dieser Beitrag einer meiner besten Beiträge ist und da bin ich auch tatsächlich stolz drauf, weil ich da, glaube ich, ganz gut den Spagat geschafft habe, zwischen zu zeigen, Okay, letzte Generation, wie ticken die eigentlich?, und einen lustigen Bericht zu machen, ohne sie lächerlich zu machen.
00:17:56: Maxi Ich stehe hier gerade an dieser Bushaltestelle und neben mir ist hier eine Grundschulklasse mit zwei Lehrerinnen. Die müssen ja auch immer von A nach B gebracht werden. Auf Spielplätze, zurück in die Grundschule, ins Schwimmbad. Und wie stressig ist das für Eltern und für die Kinder auch. Und die Lehrerinnen und Lehrer. Ich habe ein paar Freunde, die auf dem Land groß wurden und die den ganzen Tag einfach draußen gespielt haben, weil ihre Eltern keine Angst vor Verkehrsunfällen hatten. Das kann sich ein Stadtkind ja gar nicht vorstellen. Ich habe manchmal das Gefühl, dass wir Städte für Autos bauen. Also, dass wir die Städte nach den Autos ausrichten, wie unsere Sofas nach unseren Fernsehern. Ist es denn so utopisch, dass wir Autos in der Zukunft in den Hintergrund rücken lassen? Was denkt denn die Politik darüber? Kennt ihr Tarek Al Wazir? Der ist aktuell der Vorsitzende des Verkehrsausschusses. Ihr könnt ihn später ja mal googeln. Ich treffe den jetzt.
00:18:50: Tarek Al-Wazir Teil 1
00:18:52: Maxi Magst du dich einmal vorstellen, was du machst?
00:18:55: Tarek Okay. Tarek Al Wazir, bin 54 Jahre alt, bin vor 30 Jahren in den Hessischen Landtag gewählt worden, war dann lange der Fraktionsvorsitzende der Grünen, bin dann zehn Jahre Hessischer Wirtschafts-und Verkehrsminister gewesen und bin jetzt im Bundestag und da Vorsitzender des Verkehrsausschusses.
00:19:12: Maxi Und was kann man sich unter Verkehrsausschuss vorstellen?
00:19:16: Tarek Das ist der Ort des Parlaments, wo alles, was irgendwie mit Mobilität zu tun hat und was mit Gesetzen oder Richtlinien der EU zu tun hat und Ähnliches einfach auf der Tagesordnung steht.
00:19:27: Maxi Also auch alle möglichen Verkehrsmittel, die ja genutzt werden, auch der ÖPNV spielt da rein.
00:19:32: Tarek Alles, vom Luftverkehr bis zum zu Fuß gehen und was so dazwischen ist.
00:19:37: Maxi Und wie kann man den öffentlichen Raum gestalten, dass wir allgemein mehr Lebensqualität haben, dass es sicherer wird, dass es mehr Platz gibt? Gibt es da Ziele?
00:19:47: Tarek Ja, unterschiedliche, je nachdem, wen man fragt. Aber ich sage es mal so: Unsere Städte, unsere Umwelt wird gestaltet, und zwar durch unsere Entscheidung. Es gab mal ein Buch 1959, das hieß die autogerechte Stadt. Da haben sich Leute Gedanken gemacht nach dem Motto: Das Auto ist jetzt da, das wird wahrscheinlich ein Massenverkehrsmittel werden. Damals war Autobesitz absoluter Luxus, der oberen drei, vier Prozent. Und dann haben die gesagt: Dann wollen wir unsere Städte so verändern, dass sie autogerecht werden. Und so haben die dann gebaut, jahrzehntelang. Also möglichst keine Fußgänger oder Radfahrerinnen, Radfahrer auf der gleichen Ebene. Die sollen am besten im Tunnel oder auf einer Brücke oben drüber sein und die Leute sollen im Auto sitzen und dann quasi ins Parkhaus fahren und vom Parkhaus dann irgendwie auf einer anderen Ebene in die Innenstädte kommen und so weiter. Und das war einfach ein riesen Fehler, weil die autogerechte Stadt ist einfach keine menschengerechte Stadt. Und das heißt ja nicht, dass ich jetzt alle Autos aus der Stadt raus haben will. Aber wir haben mal uns bewusst, sozusagen nicht wir, sondern Menschen vor uns, haben sich dafür entschieden, quasi dem Auto Platz Platz zu machen und haben dafür aber anderen Menschen Platz weggenommen.
00:21:03: Tarek Wir hatten die zu Fuß gingen, die Rad fahren. Und dafür zu sorgen, dass es wieder Fairness gibt, so will ich es vielleicht mal sagen. Dass nämlich alle, zu sagen, möglichst fair miteinander um gehen und alle Möglichkeiten haben, alle Verkehrsmittel zu nutzen. Das ist aus meiner Sicht die Aufgabe, die wir in den nächsten Jahrzehnten haben. Das dauert, weil wie gesagt, wenn man 30, 40 Jahre in dieselbe Richtung, auch meiner Sicht falsche Richtung marschiert, dann änderst du das natürlich in fünf, sechs, sieben Jahren.
00:21:31: Maxi Und die Menschen haben sich ja auch an diesen Luxus gewöhnt, an diese individuelle Art zu reisen und alleine zu fahren. Und wie schafft man jetzt aber auch den Spagat, diese individuelle Freiheit vielleicht auch zu behalten, weil die Menschen das vielleicht nicht aufgeben wollen und trotzdem nachhaltiger den Raum zu gestalten?
00:21:47: Tarek Ja, das ist halt der Punkt. Die Fläche der Städte ist halt nicht vergrösserbar. Und dann kannst du dich entscheiden: Gibt es einen breiten Gehweg? Gibt es viele Parkplätze? Gibt es zwei oder Da gibt es keine Autospur. Und Das gibt es einen Radweg? Und diese Aufteilung des Raums, die ist schwierig, weil Menschen sind Gewohnheitstiere, man gewöhnt sich an etwas und dann, wenn sich das verändert, denkt man sich: Oh je, wird vielleicht eher schlecht sein. Und ich glaube, die Hauptaufgabe ist, dass man einfach zeigt, dass das allen hilft, wirklich allen hilft. Also ich sage es immer so: Auch alle, die Autofahren, sind ja auch Fußgängerinnen und Fußgänger. Und wenn die Autofahrerinnen und Autofahrer einen Kaffee trinken gehen wollen, dann werden die sich auch nicht an der Hauptverkehrsstraße setzen, sondern die werden irgendwo hingehen, wo die Autos nicht sind. Und wenn man das mal versteht, dann kann man versuchen, kluge Lösungen zu finden, wie man sozusagen das gut macht Meinst du, es wäre auch eine Lösung, zum Beispiel einen Tag in der Woche Autos zu verbieten in der Stadt, dass Menschen überhaupt mal ein Gefühl dafür bekommen?
00:22:51: Maxi Was bedeutet das denn?
00:22:53: Sprecher 1 Nein, das klappt nicht. Aber ich glaube, man kann mal eine Straße sperren, damit die Leute mal sehen, was das sein könnte. Aber ich bin einer von denen, die sagen, Evolution statt Revolution, weil natürlich jede Revolution sorgt wieder für die Gegenreaktion. Und wenn das am Ende nur zu so einer totalen Verhärtung führt, dann haben wir nichts gewonnen.
00:23:19: Maxi Das stimmt, aber wir müssen ja auch relativ schnell agieren, gerade. Im deutschen Verkehrssektor müssen CO₂-Emissionen laut Gesetz bis 2030 65% gesenkt werden. Bis '45 soll Deutschland klimaneutral sein. Schaffen wir das? Aktuell mit dem, was wir machen?
00:23:36: Tarek Also insgesamt hat Deutschland die Klimaziele eingehalten im letzten Jahr. Das sollten wir nie vergessen. Danke, Robert Robert Habeck. Warum? Weil der Energiesektor vor allem deutlich besser vorangekommen ist durch mehr erneuerbare Energien. Der Verkehrssektor hinkt hinterher. Unterm Strich stimmt es, aber sagen, der eine ist besser gewesen und der andere schlechter. Und natürlich ist klar, der Verkehrssektor ist ein großes Problem, weil wir einfach zu über 90% auf Öl basieren. Und das muss sich verändern. Da haben wir Lösungen. Das Elektroauto funktioniert. Vw hat dieses Jahr bisher fast eine halbe Million Elektroautos verkauft. Das sind jetzt ungefähr etwas über 10%. Der Gesamtverkäufe sind jetzt voll elektrisch. Also es klappt. Jetzt müssen wir nur noch den Leuten die Reichweiten Angst nehmen, dass sie denken, dass sie irgendwo liegenbleiben, Schnellladesäulen an die Autobahn, Raststätten stellen und so weiter. Aber da wissen wir, wie es geht. Da gibt es die Lösung, auch wenn Menschen Gewohnheitstiere sind und denken, es klappt nicht, aber das wird klappen. Wir haben zweitens bei der Frage Bus und Bahn, das Deutschland-Ticket, was es extrem attraktiv macht, Bus und Bahn zu benutzen, überall. Also das Argument von früher: Das ist alles so teuer und das ist so kompliziert und ich verstehe den Automaten nicht.
00:24:58: Tarek Das gibt es einfach nicht mehr. Also einfacher geht es nicht. Kaufen, einsteigen, losfahren, egal wo in Deutschland. Also auch da sieht man ja, die Zahlen sind auch wieder gestiegen derjenigen, die Bus und Bahn nutzen vor Ort. Wir haben ein riesengroßes Problem beim Güterverkehr Weil die LKW basieren fast alle noch auf Diesel. Das ist der Unterschied zu den Elektroautos. Aber auch da entwickelt sich eine Möglichkeit. Die Batterien werden besser und leichter. Also auch da sehen wir, könnte es eine Lösung geben. Und natürlich, da haben wir jetzt gar nicht drüber gesprochen. Der Luftverkehr, den gibt es ja auch noch. Da haben wir bisher gar keine Lösung. Und da gibt es nur aus meiner Sicht eine Möglichkeit, Klimaneutralität hinzukriegen. Nämlich, da brauchen wir wirklich die sogenannten E-Fuels, also synthetische Kraftstoffe. Quasi Kerosin, Diesel, dass du den Tank schüttest, was aber eben nicht aus Öl gewonnen wird, sondern über Wasserstoff und Synthetisierung.
00:25:56: Maxi Oder weniger kurzstrecke fliegen, zumindest.
00:25:58: Tarek Ja, wobei – der Herr Deutsche Luftverkehr ist in den letzten fünf Jahren 50% zurückgegangen.
00:26:04: Maxi Oh, das ist ja was Schönes.
00:26:05: Tarek Ja, wir haben alle gelernt, Videokonferenzen zu machen.
00:26:07: Maxi Ja, sehr gut. Unnötige Reisen verhindern. Wofür brennst du besonders? Was ist dein Herzensprojekt im Verkehrsausschuss Also wenn du Verkehrspolitik machst, dann musst du in langen Linien denken.
00:26:19: Tarek Weder das Schienennetz noch das Autobahnnetz noch das Radwegenetz ist ja in einer Sekunde entstanden. Mein Hauptpunkt, auf den ich achten werde in den nächsten in den letzten Monaten und Jahren, ist, dass wir wirklich mehr in unsere Infrastruktur investieren. Da haben wir in der Schiene viel zu wenig gemacht in den letzten Jahren. Deswegen ist das Bestandsnetz in einem so schlechten Zustand und insgesamt nicht leistungsfähig genug. Bei den Straßen wurde viel zu wenig in die Sanierung und den Erhalt investiert, mit dem Ergebnis, dass Brücken zusammenbrechen, also hier Ringbahnbrücke in Berlin, Rahmedetalbrücke an der A45, wo auch immer. Das ist einfach, da siehst du es, exemplarisch, dass es da eine falsche Prioritätensetzung gab. Da muss aus meiner Sicht mehr investiert werden, aber eben nicht mehr in neue Autobahnen, sondern in den Bestand vor allem. Und natürlich ist auch klar, es den Leuten einfach zu machen, müssen wir auch alles dafür tun, dass völlig klar ist, dass es das Deutschland-Ticket dauerhaft geben wird.
00:27:24: Maxi Ja, vielleicht sogar noch ein bisschen billiger wieder.
00:27:26: Tarek Ja, wobei erst mal ist für mich wichtig, dass es bleibt.
00:27:29: Maxi Dass es bleibt, auf jeden Fall.
00:27:30: Tarek Dass es bleibt. Und dann darf es natürlich nicht zu teuer werden, weil dann die Leute sagen werden: Okay, dann bestelle ich es wieder ab oder Bestell es mir nicht. Ist klar. Aber ein bisschen Ticket-Einnahmen brauchen wir schon noch, weil inzwischen sind die eigenen Einnahmen weniger als die Hälfte der Ausgaben.
00:27:48: Maxi Okay, irgendwer ist hier heute im Begriff zu heiraten. Vom S-Bahn-Gleis aus kann ich den fetten Blumenstrauß auf der Motorhaube sehen und dahinter bestimmt zehn weitere Autos, die alle Teil der Partycrew sind. Ich meine, warum machen wir das nicht so, dass das Autofahren ein Luxus ist? Etwas Besonderes, dass man es dann darf? Denn diese Tradition der Hochzeitskolonne fühle ich komplett. Also ich will das auch irgendwann. Aber Was in meinen Kopf nicht rein will, ist, warum wir es nicht hinbekommen, dass innerhalb unserer Städte einfach nur noch Busse, Bahn, Fahrräder und Carsharing unterwegs sind. Ich meine, was könnten wir auf all den Parkstreifen und Plätzen machen? Die werden dann ja frei. Das könnte alles Grünfläche sein. Ruheoasen. Köln ist eher das Gegenteil einer Ruheoase. Deshalb ist Lutz auch so ein dankbarer Gesprächspartner bei dieser Thematik.
00:28:40: Lutz van der Horst Teil 2
00:28:43: Maxi So, sprechen wir mal darüber, was für eine Art Typ, Öffi-Fahrer du bist. Ich bin. Du wolltest schon beantragen. Ich frage jetzt erst mal. Ja, frag mal. Wurdest du schon mal ohne Fahrkarte erwischst?
00:28:55: Lutz Ja.
00:28:56: Maxi Wann?
00:28:57: Lutz Was wird das denn jetzt hier? Kommt die nächste Klage auf mich? Wird das gerollt oder was?
00:29:01: Maxi Will wissen, ob es verjährt ist.
00:29:02: Lutz Nein, das war noch, bevor ich das Formel-9-Ticket habe. Das ist echt schon lange her. Nein, da hatte ich es, glaub ich, vergessen und dann konnte man aber dahin das nachreichen.
00:29:11: Maxi Wie alt warst du da?
00:29:13: Lutz Ach, das war jetzt auf jeden Fall Vielleicht vor zehn Jahren oder so noch mal.
00:29:16: Maxi Gut, vorne oder hinten einsteigen?
00:29:18: Lutz Also nicht Mitte auf jeden Fall. Also es ist immer entweder ganz vorne, zum Beispiel am Friesenplatz eher immer ganz vorne. Da ist es irgendwie vorne immer leerer als hinten. Weiß auch nicht, warum. Neumarkt hinten, weil da immer alle vorne einsteigen. Aber auf keinen Fall Mitte. Mitte ist immer am vollsten.
00:29:34: Maxi Ist komisch, dass man immer der Einzige schlau ist und weiß, wo es leer ist. Ist aber komisch. Aber alle wollen durch die eine Tür rein. Man weiß auch selber, erst die anderen aussteigen lassen, dann einsteigen. Komisch, ne? Irgendwie. Isst du gerne in den Öffis? Essen? Nein.
00:29:49: Lutz Also das verbitte ich mir. Also das ist ja auch nicht mehr erlaubt. Früher war das ja auch üblich, dass man auch noch sein Bier in der Bahn getrunken hat. Als ich noch jung war, das war schon echt lange her. Ja, kann ich mir vorstellen. In den Nullerjahren, da bin ich noch feiern gegangen mit meinen Jungs und da war das üblich, vorher noch ein Kölsch kaufen und dann hat man das in der Bahn schön getrunken. Das fand ich auch irgendwie immer geil, so auf dem Weg in den Club, aber ist nicht mehr erlaubt.
00:30:16: Maxi Okay, ihr seid ja auch große Fußballfans hier in Köln.
00:30:20: Lutz Ich sage gerade... Also ich bin kein großer Fußballfan.
00:30:22: Maxi Ja, ich auch nicht. Okay.
00:30:24: Lutz Also mein Bruder ist ein großer FC Köln-Fan
00:30:27: Maxi Bist du schon mal mit einer Fußballfans im Wagen gelandet?
00:30:30: Lutz Ich hab nichts gegen Fußball-Fans tatsächlich. Aber klar, wenn … Da ist ja natürlich … Alkohol spielt ja bei Fußball durchaus eine Rolle und das kann dann schon unangenehm sein, sag ich mal, wenn dann … Also ich werde z. B. Immer gerne erkannt Ja. Und mache immer gerne Selfies. Also ich finde das wirklich nett und es sind immer nett für Leute.
00:30:47: Maxi Ich mag das auch total gerne. Ja, alle verstehen das immer nicht. Finde das immer nett? Oder?
00:30:51: Lutz Es ist immer nett. Aber eine betrunken Gruppe ist dann so, da weißt du nie so … Da warst du nie so: Das ist irgendwie ein bisschen strange. Also außer man ist selber auf Pegel, natürlich. Aber ich bin meistens tagsüber nicht betrunken. Und wenn die dann zum Spiel fahren und haben ein Kleben, dann ist das in der Gruppe oft so: Weißt du nie so, was für eine Dynamik nimmt das jetzt so?
00:31:11: Maxi Hast du das Gefühl, alle fühlen sich in der Stadt wohl oder werden gut eingebunden, gerade was auch den öffentlichen Verkehr angeht? Oder was müsste da noch passieren?
00:31:19: Lutz Ja, also ich habe schon das Gefühl, dass alle mit dem öffentlichen … Dass sie alle den nutzen. Also ich beobachte auch gerne – das ist ja auch schön, wenn man in der Bahn sitzt –, dass man sich die anderen Leute anguckt und ich habe schon das Gefühl, da ist jeder dabei. Da sind wir dabei, da ist prima.
00:31:34: Maxi Und wenn in Köln, wenn du es noch lebenswerter machen wolltest?
00:31:38: Lutz Noch lebenswerter?
00:31:40: Maxi Ja. Was würdest du dann … ? Ich meine, ich finde, also jetzt, seitdem ich einen Hund habe, merke ich immer sehr oft, dass sehr, sehr viel zubetoniert ist. Und es ist sehr lange dauert, bis er sein Häufchen irgendwie machen kann. Und der pinkelt auch einfach nicht so gerne an Stein, sondern der will so eine Wiese haben. Das würde ich zum Beispiel alles wieder aufreißen.
00:31:58: Lutz Aber nur, damit die Hunde ihr Geschäft machen.
00:32:00: Maxi Ja, ja. Und das dann liegen lassen.
00:32:02: Lutz Liegen lassen? Ich kann mich da auch nicht hinlegen im Sommer, weil da ein Hund da … Toll.
00:32:06: Maxi Was würdest du verändern?
00:32:09: Lutz Was in Köln wirklich ein bisschen fehlt, sind mehr so öffentliche Plätze. Wir haben ja den Brüsseler Platz Ja. Und da gibt es ja seit Jahren, ich weiß nicht, ob man das so bundesweit mitkriegt, diesen Skandal, dass es viel zu laut ist und man kriegt es nicht eingedämmt. Und es stimmt auch, es ist wahnsinnig laut, aber es ist eben auch schwierig für Kölner, wenn man sagt, wir wollen mal draußen stehen im Bierchen und reden. Es gibt nicht so viele Möglichkeiten und ich verstehe da natürlich auch die Nachbarn, denen das zu laut ist, aber ich verstehe auch den Kölner, der sagt: Ich will auch mal draußen stehen mit meinen Freunden und mir drin.
00:32:40: Maxi Ihr steht die ganze Zeit draußen gefühlt.
00:32:42: Lutz Ja.
00:32:43: Maxi Ich hab das Gefühl, auch wenn es regnet, da seid ihr draußen vor dem Kiosk und setzt euch da auf die Fensterbank. Ein Kollege von mir hat auch geschwärmt, als ich das erste Mal in Kölner war: Oh, wir müssen aufs Mäuerchen. Das ist so schön da. Und dann war das so eine kleine Mauer gegenüber von den Uniwiesen und da hast du die wunderschönen Uniwiesen vor dir, aber er will auf dieser Mauer Mauer sitzt. Ja, ist doch toll. Das ist das Mäuerchen. Da sitzt man so. Ja und? Was ist der Problem? Nein, das mag ich, dass sie aus so hässlichen Dingen so schöne Sachen machen können. Ja, genau.
00:33:07: Lutz Das Herz von der Welt. Das ist Kölle. Wenn man das lang genug singt und betrunken genug ist, glaubt man das.
00:33:11: Maxi Ja, okay. Also was würdest du noch verändern?
00:33:13: Lutz Ich finde es ja toll, was bei Corona ja zugenommen hat, dass ja mehr Restaurants jetzt so Außenplätze haben und dafür einfach so ein Parkplatz wegfällt. Ja. Und habe ich jetzt überraschenderweise gar kein Mitleid mit den Autofahrern, die sagen: Oh, ist schon ein Parkplatz weniger. Aber ich sage: Ja, aber dafür sitzen da einfach 15 Leute draußen bei schönem Wetter und haben mehr Lebensqualität, als du mit deinem Auto. Richtig. Das dann da steht. Ja, da hält sich mein Mitleid in Grenzen.
00:33:36: Maxi Ja, verstehe ich. Und du kannst ja wirklich selbst zu Fuß kommen, du kommst ja durch die Stadt. Ja. Brauchst gar keinen. Und warum haben Leute hier ein Auto? Weil die wahrscheinlich außerhalb arbeiten, oder? Oder in Düsseldorff.
00:33:46: Lutz Also ich verstehe das. Ja, wenn du natürlich auf dem Land oder ländlicher wohnst, verstehe ich schon, dass man da ein Auto hat, wenn die Verkehrsanbindung schlecht ist. Aber so als Innenstädter wundere ich mich schon oft, warum man dann … Also wie gesagt, ich wohne in Ehrenfeld. Ich habe einen Kumpel, der hat ein Auto, der Stress bis der einen Parkplatz gefunden hat. Der fährt da ja teilweise 20, 30 Minuten den Block. Das ist ja Psychoterror. Warum sollte ich mir das antun?
00:34:08: Maxi Und warum hat der ein Auto?
00:34:10: Lutz Einfach eine faule Sau.
00:34:13: Maxi Ich bin der Einzige in diesem Wagen. Was ein Luxus. Ich sitze, hier läuft eine Klimaanlage und ich habe meine Ruhr. Das sind übrigens auch die Irfies. Kein Gehupe, keine Parkplatzsuche, kein Stau, kein heimlich welches WhatsApp-Schreiben an Ampeln und dann angehubt werden, weil es schon wieder gelb ist. Ihr kennt das Problem. Ich denke ehrlich gesagt noch immer darüber nach, wie viel mehr Platz wir hätten, wenn wir uns schlauer fortbewegen würden, indem wir nicht einfach immer nur alleine ins Auto steigen, sondern alle Angebote besser nutzen. Busse, Bahn, Sharing-Autos, Scooter. Stellt euch das mal vor. Wir bräuchten dann noch weniger Tankstellen. So, und dann gibt es einen Wettbewerb. Wer das das beste Ladenkonzept für die leerstehenden Tankstellen hat. Die Vorstellung alleine, ich meine, wie geil wäre das? Aber ich frage mich, ob wir denn zumindest in die richtige Richtung gehen mit der Verkehrswende. Ich merke selber gerade, ich habe noch einige Fragen an Tarek.
00:35:17: Tarek Al-Wazir Teil 2
00:35:17: Maxi Was funktioniert denn schon gut im ÖPNV? Worauf können wir auch stolz sein, was schon da ist?
00:35:22: Tarek Wir haben 30% mehr Verkehr im Schienenpersonennahverkehr und 70% mehr Passagiere in den letzten 30 Jahren. Und das zeigt schon, wenn du mehr Angebote hinkriegst, wenn du gute Zugangsmöglichkeiten schaffst, Dinge vereinfacht, dann hast du auch mehr Leute, die das nutzen. Und das Deutschland-Ticket ist jetzt der nächste Schritt, dass man nicht mehr gucken muss, Verbundgrenzen, Ländergrenzen, was mache ich jetzt, Einzelfahrschein, Kurzstrecke, Tages-Ticket, Gruppenkarte, weiß nicht was, sondern dass ich einfach ein Ding in der Tasche habe und gar nicht mehr nachdenken muss.
00:35:59: Maxi Siehst du darin auch die Zukunft für allgemeinen Verkehr, auch zwischen Stadt und Land, dass einfach vielmehr sich auf Schienen bewegt wird?
00:36:06: Tarek Ja, da, wo es Schienen gibt. Da haben wir ja jahrzehntelang eigentlich eine falsche Situation gehabt. Da ist immer stillgelegt worden, die Nebenstrecken. Das ist der Unterschied zum Autonetz, das ist immer ausgebaut worden. Aber es wird jetzt nicht mehr stillgelegt, immerhin. Jetzt geht es die Frage: Kann man auch mal wieder was reaktivieren? Aber selbst wenn uns das gelingt, wird es weiterhin so sein auf dem Land, dass es auch viel Automobilität geben wird. Das liegt einfach in der Natur der Dinge. Und da kommt jetzt der eine große Game-Changer: Das autonome Fahren. Das wird kommen. Und es gibt die ersten zwei Projekte in Deutschland. Das eine im Kreis Offenbach, da wo ich herkomme, und das andere wird in Hamburg sein, wo quasi autonome On-Demand-Mobilität passiert. Also auf Deutsch gesagt: Ich buche mir quasi mein Selbstfahrendes Mobil an die nächste Haltestelle, was mich dann zum nächsten Bahnhof bringt. Und das ist genau der Punkt, weil die Personalkosten sind ja ungefähr zwei Drittel, gerade dann, wenn es im ländlichen Raum ist, wo nicht 50 Leute im Bus sitzen, sondern vielleicht fünf. Und wir finden nicht genügend Fahrerinnen und Fahrer, das kommt noch dazu. Und wenn das wirklich mal ausgerollt wird, dann haben wir auch im ländlichen Raum endlich das Angebot, was sich alle wünschen.
00:37:29: Maxi Und was bedeutet für dich lebenswerte Mobilität? Wann ist es lebenswert?
00:37:35: Tarek Also erstmal muss man natürlich sagen, Mobilität an sich ist auch Freiheit.
00:37:40: Maxi Ja, fast ein Grundrecht, oder?
00:37:42: Tarek Ja, ist sogar Freizügigkeit ist sogar im Grundgesetz. Man darf selbst entscheiden, wo man hinzieht. Ist ja nicht in jedem Land so. Aber es ist natürlich Freiheit. Das kennen wir alle. Man guckt sich einen Säugling an, der ist erst mal begeistert, dass er sich drehen kann, dann ist er begeistert, dass er krabbeln kann, dann ist er begeistert, dass er laufen kann. Und irgendwann können wir uns selbst daran erinnern, dann später, vielleicht, dass wir Fahrradfahren gelernt haben und auf einmal unser Radius sich total vergrößert hat und wir auf einmal unser Viertel, unser Dorf ganz anders kennengelernt haben. Und so geht das eigentlich das ganze Leben weiter. Und deswegen ist die Frage: Können wir mobil sein? Eine Frage auch: Sind wir frei? Und Mobilität betrifft auch alle, wirklich alle. Also selbst die, die bettlägerig sind, da muss der Pflegedienst kommen können. Also es sind wirklich alle davon getroffen. Und gleichzeitig kann natürlich auch … Also Freiheit endet ja immer da, wo ich in die Freiheit von anderen eingreife. Und das ist jetzt genau der Punkt: Wenn am Ende sich Radfahrerinnen und Radfahrer nicht mehr trauen, eine Straße zu benutzen, weil sie einfach Angst haben, totgefahren zu werden.
00:38:46: Tarek Wenn am Ende die Luft an Hauptverkehrsstraßen so schlecht ist, dass Menschen krank werden, dann greift man quasi in die Freiheit von anderen ein. Und das meinte ich mit diesen Abwägungs-und Aushandlungsprozessen, dass man dann Fair sein muss, Fairness bieten muss.
00:39:01: Maxi Und wie viel musst du kämpfen im Verkehrsausschuss? Es sind wahrscheinlich sehr lange Wege auch und sehr anstrengend, Dinge durchzusetzen oder Leute auch davon zu überzeugen, dass es toll ist, in eine Schiene zu investieren und das weiter auszubauen und da auch eine wirtschaftliche Chance zu sehen wahrscheinlich.
00:39:20: Tarek Klar, das ist so. Und da gibt es unterschiedliche Interessen und unterschiedliche Positionen. Und ich meine, das ist doch klar. Ich meine, die einen sind total autobegeistert und denken, wenn man sagt, Fairness für alle, nach dem Motto, die wollen irgendwas gegen das Auto machen. Darum geht es aber aus meiner Sicht gar nicht, sondern aus meiner Sicht geht es darum, dass man die Mobilitätsformen möglich macht und dass dann eben Das gilt, was in Paragraf eins der Straßenverkehrsordnung übrigens auch steht: Vorsicht und Rücksicht. Wenn sich da alle daran halten würden, bräuchten wir die 140 Paragrafen dahinter nicht mehr. Aber gut, darum geht es, dass man allen Mobilität ermöglicht. Und klar, wir haben fast 50 Millionen PKW in Deutschland inzwischen zugelassen und wir haben natürlich eine Menge Leute, die aus guten Gründen auch sagen, dass sie darauf angewiesen sind. Handwerkerinnen und Handwerker, die irgendwie unterwegs sein wollen. Wir denken selbst mal darüber nach, was wir selbst auch dazu beitragen. Also wer ohne Lieferdienstbestellung ist, der werfe den ersten Stein. Aber am Ende geht es ja auch darum, dass es eine Menge Menschen gibt, die keinen Führerschein haben, entweder noch nicht, weil sie noch nicht dürfen oder nicht wollen oder nie vergessen auch nicht können, nicht mehr können.
00:40:41: Tarek Und wenn ich mir überlege, dass wir dann sagen: Okay, alle unter 18 und alle Leute, die älter werden, und zu sagen: Ich soll halt gucken, wo sie bleiben, dann merkt man schon, so kann eine Gesellschaft nicht funktionieren.
00:40:55: Maxi Das heißt, die Zukunft wird auch daraus bestehen. Man wird auch auf gewisse Dinge vielleicht verzichten, aber es gibt andere Dinge, die diesen Verzicht wieder ausgleichen.
00:41:04: Tarek Ja, klar. Das ist übrigens bei jeder Veränderung so. Also vor 20 Jahren gab es eine riesen Debatte über das Rauchverbot in der Gastronomie und unglaubliche Sachen, die da an die Wand gemalt worden sind. Das Ende der deutschen Kneipenkultur. Ich weiß nicht was. Schon zwei Jahre später konnte sich keiner mehr vorstellen, dass es jemals anders war. Die Raucherinnen und Raucher sind inzwischen die Bestinformierten, weil die sich alle am Aschenbecher treffen und deswegen mehr Wissen als die anderen. Wir wollen alle nicht mehr so stinken, wie wir früher gestunken haben, wenn wir irgendwie aus der Kneipe gekommen sind. Und wenn ich heute Leuten erzähle, dass vor 20 Jahren das total normal war, dass man im Restaurant gegessen hat und am Nebentisch hat einer gezwalmt. Das kann sich keiner mehr vorstellen.
00:41:49: Maxi Das macht ja Hoffnung, wenn man sieht, dass solche krassen Einschnitte in das Alltagsleben der Menschen schon mal funktioniert haben.
00:41:56: Tarek Und am Ende aber, und das muss halt da sein, wirklich die Mehrheit auch gesehen hat, dass es für sie gut war, dass die Veränderung keine Bedrohung ist, sondern dass es am Ende für sie gut war.
00:42:06: Maxi Und was macht dir Hoffnung, wenn du an Mobilität in der Zukunft denkst?
00:42:10: Tarek Ich sehe, wie sich Mobilität verändert. Wir haben mehr Leute, die auf der Schiene mit der Bahn unterwegs sind, teilweise sogar zu viele, weil das sozusagen das Streckennetz gar nicht mehr hergibt. Deswegen müssen wir es ja ausbauen. Ich sehe, wie sich die Mobilität in den Städten auch verändert. Wir haben einen deutlichen Anstieg des Radverkehrs und das redet kaum jemand drüber: zu Fuß gehen. Den größten Zuwachs in den letzten 20 Jahren. Vielleicht liegt das daran, dass jetzt alle so Handys in der Tasche haben mit so einer Fitness-App, die die Schritte zählen.
00:42:42: Maxi Oder durch Corona. Das ist ja spazieren gehen, ein richtiger Trend geworden.
00:42:45: Tarek Genau, ist auch was passiert. Wir haben zwar immer mehr Autos – ja, das ist noch so –, die aber gleichzeitig weniger Fahrleistung haben. Also es scheint offensichtlich Menschen zu geben, die sozusagen sagen, ein Auto besitzen, aber das fast nie nutzen. Zum Sitzen. Ja, das ist ein normales Fahrzeug, sage ich, ein Stehzeug. Das steht so 23 Stunden am Tag im Schnitt. Wenn wir das noch hinkriegen würden, dass das öfter geteilt wird, dann wären wir schon einen Schritt weiter, aber ich glaube, da ist schon einiges auf dem Weg. Und gerade was die Autos angeht, ist uns auch jetzt gelungen, dass die Antriebswende wirklich real wird. Also Antriebswende ist nicht Verkehrswende. Auch ein Elektroauto braucht Platz, auch ein Elektroauto steht im Stau, aber es macht wenigstens keinen Dreck mehr am Auspuff.
00:43:35: Maxi Oh, Alter. Leute, gibt es eigentlich ein krasseres Geräusch für Baustellen im Sommer als Presslufthammer? Mir wird direkt noch wärmer, wenn ich die Männer sehe, die dann so ackern und schwitzen. Und ich denke, dass das einfach einer der härtesten und anstrengendsten Jobs ist, oder? Und wofür? So, jetzt ist es endlich ruhiger hier. Bin auch gleich an der S Station. Diese ganzen Straßensanierungsarbeiten kosten den Staat Geld und uns im Alltag nerven. Natürlich geht es auch auf das Nervenkostüm der Arbeiter. Und versteht mich jetzt nicht falsch, mir ist schon klar, dass wir jetzt nicht mehr mit Kutschen fahren oder direkt einfach auf Pferden durch unsere Städte reiten. Aber dieses Dichtmachen unserer Flächen hat so viel mit unserer Lebensqualität zu tun. Ich erinnere mich noch daran, wenn im Sommer früher frischer Teer etwas zu glänzen begann und sich verformte und man als Kind dann mit dem Stock darin herumwühlte. Oder diese Bilder von Staus in den 80ern, wo die Leute dann gefühlt auf der Straße grillen konnten. Mittlerweile sorgt der Klimawandel dafür, dass es so heiß ist, dass in Bayern zum Beispiel die Betonplatten auf den Autobahn platzen. Was veranstalten wir hier eigentlich? Und es geht mir nicht darum, das Auto komplett zu verteufeln.
00:44:48: Maxi Aber wir nutzen es nicht clever genug. Fahrgemeinschaften zur Arbeit bilden, Park-and-Ride-Systeme nutzen. All das wäre klüger, als das Auto zu 99% einfach irgendwo zu parken und es gänzlich allein zu nutzen. Maxi, würde ich am Steuer sitzen? Wann könnte ich mir dann denn den Lippenstift nachziehen? Ich denke hier gerade an meine Oma, die natürlich immer einen pragmatischen Ansatz verfolgt. Letztens las sie mir am Telefon folgendes vor: Statistisch gesehen geben deutsche Autofahrer etwa 2. 000 Euro pro Jahr nur für das Parken und die Parkplatzsuche aus. Dieser Betrag setzt sich aus Parkgebühren, Strafzetteln und der Zeit zusammen, die für die Parkplatzsuche aufgewendet wird. Nicht zu fassen. Und natürlich folgte darauf dieser Gedanke von ihr: Hör mal, das sind 5,50 Euro pro Tag nach Adam Rieser. Weißt du was? Die spare ich ab jetzt und das Geld bekommst du dann irgendwann. Ich lachte und sagte: Das ist für mich greifbares Wirtschaften, Oma. Wenn ich der ÖPNV wäre, wären diese 2. 000 Euro pro Jahr safe eine Botschaft für eine ganze Werbekampagne. Okay, okay. Autos fahren in Deutschland seit 1886. Da ist es natürlich kein Wunder, dass eine Verkehrswende dauert. Solche Prozesse sind ja immer langsam. Aber wisst ihr was?
00:46:14: Maxi Dieser Gedanke mit den leerstehenden Tankstellen lässt mich nicht los. Was würdet ihr damit machen? Einen Store eröffnen, abreißen und einen schönen Spielplatz bauen oder einfach einen Badeteich anlegen? Wenn ihr Lust habt, schreibt mir das doch mal. Und wenn ihr schon dabei seid, teilt diesen Podcast in euren Stories, leitet ihn an eure Leute weiter, empfehlt uns, Glockt die Glocke, dring. Und wenn es Sterne geht, ist fünf übrigens meine Glückszahl. Ticket to Anywhere ist ein Podcast der Zukunft nahverkehr in Zusammenarbeit mit der DPA. Host bin ich, Maximilian Mundt, Skriptautorin: Inga Wessling, Autor und Producer: Claus Schwartau, Redaktion: Charlotte Witt und Alicia Windzio. Executive-producer DPA: David Krause, Sounddesign: Sebastian Dressel, Musik: Henning Neidhardt, Ton: David Bader, Dirk Feistel und Saskia Hahn. Team-lead social-media: Oliwia Nowakowska. Initiative Zukunft Nahverkehr: Chiara Giordano und Leila Mahmood.
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