Aussichtssache – mit Olivia Schneider
Shownotes
Wir werden in den nächsten Jahren und Jahrzehnten wahrscheinlich nicht in einem Raumschiff zu einem Date fahren. Klar, die Vorstellung ist funny, beim Knutschen auch buchstäblich abzuheben. Aber wie sieht ein realistischer Blick auf unsere Mobilität in der Zukunft aus? Und wo kommen gestern, heute und morgen produktiv zusammen? Darüber spricht Maxi in dieser Folge mit Ostfluencerin und Content Creatorin Olivia Schneider, die regelmäßig mit Bus und Bahn ostdeutsche Städte und Dörfer erkundet. Mit der Umweltpsychologin Dr. Isabella Uhl-Hädicke geht es dann um die Frage, warum wir uns so schwertun, endlich etwas zu ändern, selbst wenn es zu unserem Besten ist.
Weitere Infos über die Initiative ZUKUNFT NAHVERKEHR gibt es hier:
🌐 www.zukunftnahverkehr.de/podcast 🟣 Instagram: https://www.instagram.com/zukunft.nahverkehr/ 🔵 LinkedIn: https://www.linkedin.com/company/zukunftnahverkehr
Transkript anzeigen
00:00:00: Intro
00:00:00: Maxi Die S-Bahn kommt und ich schaue in das Fenster des ersten Wagens. Ich bin immer überrascht, dass da jemand am Steuer sitzt. Ist doch Wahnsinn, wie selten wir über die Leute nachdenken, die diese Züge rund um die Uhr fahren. Da sitzen ja schließlich Menschen drin. Hot Take. Öffis sind für mich einfach diese eine große Stretch-Limot, die wir uns alle gönnen und teilen. Und in dieser öffentlichen Limousine kommen wir uns auch ganz schön nahe. Ihr und ich, Bein an Bein oder Schulter an Schulter, an den Halteschlaufen, im Stehen, die Station zählen. Wir sitzen hier also alle in einem, na ja, nicht Boot, aber eben in einer Bahn oder einem Bus. Sorry, ich stelle mich erst einmal vor. Mein Name ist Maximian Mund. Ihr kennt mich vielleicht vom Sehen und jetzt eben auch vom Hören, denn das hier ist eben ein Podcast, und zwar über den öffentlichen Personennahverkehr. Ich verabrede mich mit Menschen, die den ÖPNV privat nutzen, professionell gestalten, ihr Geld damit verdienen oder eine Meinung dazu haben. Was lieben wir an unseren Öffis? Was frustriert uns? Welche Epic-Erlebnisse hatten wir darin? Das hier ist quasi The Big Bahn Theory. Also Bahn, nicht nicht bang. Checkt ihr? Das hier ist Ticket to Anywhere.
00:01:20: Maxi Let’s Talk Naheverkehr. Wohin mein Ticket geht, fragt ihr. Ich fahr zu meiner Oma. Agenda, der Klassiker, das Internet auf ihrem Smartphone geht nicht mehr. Also bringe ich es zum Laufen. Meine Oma und ich funktionieren super zusammen. Wir waren schon immer ein gutes Team und seit sie ein Handy hat, bin ich in der Favoritenliste auf der Eins. Natürlich, Enkel goal. Und klar, wenn sie nur Bahnhof versteht, klingelt bei mir das Telefon. Apropos Bahnhof: Fahren wir los? Schon, oder?
00:01:54: Welcome to the ticket to any of our show.
00:02:07: Ticket in die Zukunft
00:02:08: Maxi Hört ihr das? Links von mir am Gleis wird Geburtstag gefeiert. Eine von den Girls hält eine mehrstöckige Torte in der Hand, auf der eine 30 prangt. Plus das Geburtstagskind trägt eine Tiara, auf der ebenfalls eine 30 steht. Der 30. Geburtstag ist so stigmatisiert, oder? An die 30 haben wir verdammt viele Anforderungen und Erwartungen. Und ja, ich werde nächstes Jahr auch 30. Die letzten Jahre habe ich an dieser Stelle immer gesagt: Ach komm, das liegt noch so weit in der Zukunft. Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber in Anbetracht der Weltlage denke ich fast täglich über die Zukunft nach. In Anbetracht der Weltlage? Mein Gott, ich höre mich jetzt schon so an, als wäre ich 30. Aber mal im Ernst: Die Zukunft ist für wie ein gekochtes Essen. Ja, die Gegenwart, das sind die Zutaten und die Zukunft ist das, was wir daraus kochen, also machen. Ich glaube, ich hab mittlerweile einfach Hunger. Na, zum Glück gibt's nachher bei Oma was zu essen. Oh, so, ich muss hier mal kurz aussteigen. Okay, die zwei Mädchen hier sind mit ihren Spielzeugrobotern gerade ganz weit vorne in der Zukunft. Findet ihr nicht auch, dass das Wort Roboter sehr nach Vergangenheit klingt?
00:03:41: Maxi Die Zukunft ist eher Cyber. Na, das wäre doch ein passender Werbeslogan für die Öffis. Voll Cyber, dieser Naheverkehr. Oder auch nicht. Wenn ich mir die zwei Mädchen anschaue, denke ich: Hey, die haben noch alles vor sich. Und ja, ich weiß, wie alt ich jetzt dadurch klinge, aber ich hab manchmal das Gefühl, dass es uns Menschen schwerfällt, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zusammenzubringen. Und an manchen Orten in unserem Land sagen wir dann so was wie: Also hier ist die Zeit stehengeblieben, ne? Vor allem im Osten Deutschlands, aber nicht auf eine nostalgische Art. Das sind eher Orte, die die fehlende Priorisierung beklagen, wenn es Zukunftstauglichkeit geht. Aber apropos nostalgisch oder ostalgisch: Kennt ihr diese Ostfluencerin Olivia Schneider? Die kann dazu natürlich viel mehr sagen.
00:04:35: Olivia Schneider Teil 1
00:04:33: Olivia Ich bin Olivia. Ich bin 29 Jahre alt, lebe in Dresden und ich bin bei Instagram als Ostfluencerin aktiv.
00:04:43: Maxi Das heißt, du bist auch gar nicht in der DDR aufgewachsen? Korrekt. Aber im Osten? Mmh. Das heißt, du bist trotzdem ja wahrscheinlich mit viel DDR-Kultur noch aufgewachsen.
00:04:53: Olivia Ja, würde ich sagen.
00:04:54: Maxi Wie hat sich das bemerkbar gemacht?
00:04:58: Olivia Also ich glaube natürlich an so Alltagsdingen wie Essen, irgendwie so einer Kultur, oder dass ich mit bestimmter Musik oder Hörspielen oder wie auch immer, so einem kulturellen Erbe, vielleicht irgendwie in gewissen Teilen noch aufgewachsen bin. Aber ich glaube, was ich in meinem Aufwachsen auch bemerkbar gemacht hat, war halt die Wende, also eher auch so diese Transformation, die dann mit der Wiedervereinigung begonnen hat, die man, finde ich, auch gerade so im ländlichen Raum ja sehr wahrnimmt, immer noch. Und ich glaube, das habe ich auch als Kind recht früh verstanden und wahrgenommen, diese Erzählung auch von der Familie: Hier war mal ein Supermarkt, hier war der Betrieb, der wurde dann mit der Wende geschlossen. Ich glaube, dadurch habe ich schon recht früh … Dieses Wort Wende war für mich geläufig, aber ich glaube, diesen großen Umfang habe ich dann erst später begriffen. Aber ich glaube, das zeigt sich an vielen Momenten im Leben, dass man in Ostdeutschland aufgewachsen ist.
00:05:57: Maxi Dürftest du auch kein Super RTL gucken?
00:05:59: Olivia Ja. Ist das was Ostdeutsches?
00:06:03: Maxi Also ich meine, ich durfte auch nie Super-RTL, ich durfte nur Kika gucken und ich durfte auch … Also wir haben viel auch so tschechische Märchen oder russische Märchen und so was geguckt. Das war weniger so Disney, sondern die Kassetten oder … Nein, DVDs gab es noch nicht, aber Videokassetten war dann hauptsächlich so Hexe Baba Jägar. Baba Jaga, ja. Baba Jaga mit dem Haus und den Hühnerfüßen.
00:06:22: Olivia Ja, witzig. Darüber habe ich noch nie nachgedacht. Ich dachte halt, das liegt daran, dass meine Eltern so ein bisschen Öko sind und dass wir das deswegen nicht schauen durften. Ich glaube, auch der Ami-Haus.
00:06:33: Maxi Du bist in Dresden auch aufgewachsen?
00:06:35: Olivia Nein, in der Sächsischen Schweiz, in einem ganz kleinen Dorf. 2000 Einwohner.
00:06:39: Maxi Und wie bist du da damals zur Schule gekommen?
00:06:42: Olivia Mit dem Bus. Am Anfang, in der Grundschule war das noch recht easy, weil das war so das Nachbardorf und da bin ich auch oft mit dem Bus hingefahren, manchmal auch mit dem Fahrrad, aber das waren halt so, keine Ahnung, zehn Minuten oder so. Wobei ich jetzt irgendwie mich erinnert habe, dass ich da schon auch meine erste Erfahrung mit Busfahren gemacht hatte, die glaube ich, bis heute hauntet irgendwie. Oh Gott. Weil das war ja wirklich sehr klein und dörflich. Und als wir so in die Schule gekommen sind, hatten wir am Anfang so einen sehr empathischen Busfahrer, der halt gecheckt hat, dass die Kinder irgendwie sich mit Busfahren noch nicht auskennen und dann einfach überall angehalten hat und sich dann so ein bisschen gemerkt hat, wo wer ein-und aussteigt. Man wusste halt, der Bus hält an, die steigt aus. Und dann habe ich erst, glaube ich, in der zweiten Schulwoche dann die Erfahrung gemacht, dass man ja eigentlich klingeln muss, wenn man aussteigen muss. Und bin dann so mit meiner besten Freundin, der Bus hat nicht angehalten und wir halt kleine Babys irgendwie mit sechs waren so: Mein Gott, was passiert jetzt? Und sind dann ins nächste Dorf gefahren, weil wir uns auch nicht getraut haben, was zu sagen, und wollten dann so richtig …
00:07:43: Olivia Der Fahrer hat dann so Zigarettenpause gemacht und dann wollten wir halt aussteigen und dann hat er uns so krass angeschnautzt, so Da müsst ihr mal klingeln. Und das habe ich so gemerkt, dass ich das irgendwie immer noch so in mir habe bis heute, dass ich immer denke: Fuck, ich muss klingeln rechtzeitig, damit ich richtig aussteigen kann, obwohl es, glaube ich, nie wieder passiert ist, dass ich nicht aussteigen konnte. Aber ja, das ist so die erste prägende Busfahrerfahrung gewesen, glaube ich.
00:08:06: Maxi Es gibt doch auch so einen Meme dazu, wenn man so People Pleaser ist und vergisst zu klingeln und sich dann so sehr schämt und dann aber ins nächste Land fährt oder so.
00:08:13: Olivia Could be me.
00:08:14: Maxi Ich bleibe einfach sitzen. Ich habe selber schuld.
00:08:17: Olivia Ich habe zu spät gedrückt.
00:08:18: Maxi Ja, voll. Na ja, und dann ist man halt in Frankreich gelandet oder in Tschechien. Okay. Und dann, wie bist du zum Social Media gekommen?
00:08:26: Olivia Also ich habe in meinem Kunststudium eigentlich schon so Social Media als mein Thema gehabt, habe da schon diesen Account, den ich jetzt habe, so ein bisschen gepflegt, aber das hatte noch so einen ganz anderen inhaltlichen Rahmen. Da ging es mehr so Internetkultur und auch so dieses InfluencerIn-Dasein. Aber dass ich jetzt Ostfluencerin geworden bin, war so ein bisschen Zufall, weil ich einfach vor zwei Jahren angefangen habe, also ein Video hochgeladen habe, irgendwie so mit diesem Bedürfnis: Ich will mal so … Also ich kam da auch gerade aus dem Erasmus wieder zurück und habe wirklich so Sommerferien auch in Ostdeutschland gemacht, war irgendwie auf dem Campingplatz und wie so bei meiner Familie und hatte da irgendwie so dieses Bedürfnis: „Ich will mal so festhalten, was für mich Ostdeutschland ausmacht. Und daraus habe ich einfach so einen Reel geschnitten. Das ist halt viral gegangen und irgendwie hat sich das dann so entwickelt.
00:09:13: Maxi Verselbstständigt? Machst du das jetzt Vollzeit?
00:09:15: Olivia Nein, ich bin Sozialarbeiterin. Ich habe nach meinem Kunststudium noch mal Soziale Arbeit studiert.
00:09:21: Maxi Krass. Gibt es auch einen Westfluencer?
00:09:24: Olivia Ich glaube nicht.
00:09:26: Maxi Ist dir noch nicht begegnet?
00:09:27: Olivia Nein, aber ich frage mich auch. Also ich Worüber wollen die reden? For real? Ich glaube, das ist ja schon ein bisschen das Ding, dass man ja, glaube ich, sich dem Ostdeutschsein viel mehr bewusst ist, als jetzt Menschen, die im Westen aufgewachsen sind, dem Westdeutschsein.
00:09:42: Maxi Woher kommt das?
00:09:43: Olivia Na, ich glaube, wenn man aus Westdeutschland kommt, muss man sich halt nicht ständig anhören, dass man aus Westdeutschland kommt, anders als es halt …
00:09:50: Maxi Außer von Ostdeutschen.
00:09:51: Olivia Genau, korrekt. Mit denen man ja … Aber ja, das ist ja natürlich auch … Also ich habe eher so die Erfahrung gemacht, dass ja auch viele Menschen gar nicht so Berührungspunkte überhaupt zum Thema Ostdeutschland haben und auch vielleicht manchmal gar nicht so Leute kennen, die aus dem Osten kommen. Und wenn man dann mal jemanden trifft, dann ist das halt so ein Ding.
00:10:07: Maxi Ja, ist ja krass. Die Mauer ist vor 35 Jahren knapp gefallen und trotzdem ist ja da immer noch dieses Gefühl von Westen und Osten. Und wenn man mal dann … Ich wohne mittlerweile in Hamburg. Ich bin auch in Hamburg geboren. Also ich bin eigentlich ein Wessi mit ostdeutschen Wurzeln. Und wenn man dann in den Osten in den Urlaub fährt oder zur Familie fährt, merkt man, man fährt gefühlt fast über eine Grenze und irgendwie Sachen verändern sich und eine Mentalität verändert sich und natürlich auch Infrastruktur und wie die Häuser aussehen und wie viele Läden es gibt und wie vielfältig auch das Angebot plötzlich nicht mehr ist zum Teil. Und das ist ja wahrscheinlich auch das, warum du das machst, oder? Um irgendwie dafür Aufmerksamkeit zu schaffen.
00:10:47: Olivia Voll. Ich glaube, Sichtbarkeit ist für mich ein großes Thema. Also wenn ich in Ostdeutschland aufgewachsen bin, gibt es zum einen so dieses Othering von außen, dass man irgendwie geframed wird oder mit bestimmten Klischees konfrontiert wird. Aber es gibt es ja auch irgendwie innerhalb dieses Identitätskonstrukts oder dieser Moment, dass ich so verstanden habe, okay, eine ostdeutsche Identität gibt es und das hat auch nichts per se mit Rechtssein zu tun, sondern das kann auch anders aussehen. Das habe ich halt irgendwie echt recht spät erst verstanden und ich glaube, das ist so ein bisschen das, was ich auch versuche, auf Social Media zu transportieren, dass man halt eine Identität auch anders besetzen kann.
00:11:24: Maxi Wie siehst du denn den öffentlichen Naheverkehr, wenn du jetzt im Osten unterwegs bist, im Vergleich zum Westen?
00:11:31: Olivia Also ich fahr ja sehr gerne in kleine Orte, auch für meinen Content, weil man in kleineren Orten halt oft noch eher diese Dinge findet, die ich suche. Und da fällt mir halt immer auf, Ich habe kein Auto, dass ist oft sehr, sehr schwierig ist, tatsächlich diese Orte zu erreichen. Und wenn, dann ist es sozusagen mit extremen Umwegen verbunden. Man braucht also mindestens doppelt so lange, würde ich oft sagen, als mit einem Auto, was es halt total unattraktiv macht, irgendwie auch in so ländliche Regionen überhaupt zu fahren und was total schade ist. Also ich versuche auch immer so ein bisschen Sichtbarkeit zu geben, zum Beispiel für so demokratische, soziokulturelle Projekte im ländlichen Raum und habe zum Beispiel mal das Treibhaus in Döbelen besucht. Das ist so ein sehr toller Ort, die sehr vielfältige Angebote haben. Und mit dem Auto brauche ich da irgendwie eine Dreiviertelstunde hin und halt wirklich mit den Öffis anderthalb Stunden. Und als ich das jetzt mal hingefahren habe, hat keine Verbindung hingehauen. Ich habe drei Stunden dahin gebraucht. Was halt absurd ist für einen Ort, der halt innerhalb von Sachsen und gar nicht so weit weg, sozusagen. Ja, und das macht es schwierig.
00:12:37: Olivia Und ich glaube, das ist auch was, was ich so rückblickend jetzt aus meiner Jugend auch so reflektieren würde, dass ja schon ÖPNV ein gut ausgebauter ÖPNV ermöglicht natürlich irgendwie gesellschaftliche Teilhabe oder so eine Teilhabe auch am kulturellen und sozialen Leben und dass das auf jeden Fall, würde ich sagen, jetzt für mich als Jugendliche schon oft schwierig war, an irgendwas teilzunehmen, wenn man nur darauf, also wenn man eben nur auf so ÖPNV zurückgreifen kann.
00:13:04: Maxi Was sind denn deine Wünsche für den ÖPNV? Was würdest du gerne verändern? Was gefällt dir schon? Fangen wir mal an, was dir schon gefällt.
00:13:13: Olivia Also mir gefällt, dass mittlerweile auf diese Fahrradsituation, zumindest so in der Sächsischen Schweiz, wo ich herkomme, flexibler reagiert wird. Da gibt es jetzt so Fahrradanhänger zum Beispiel, wo man sein Fahrrad auch reintun kann, damit man es nicht in den Bus mit reinnehmen muss. Finde ich super. Und wenn das funktioniert, dass die Haltestellen auf so einem Schild stehen, also auf so einem Bildschirm, und dann auch angesagt werden, damit man nicht gestresst ist, wann jetzt die nächste Haltestelle kommt.
00:13:36: Maxi Ich liebe auch die digitalen Anzeigen bei Bushaltestellen. Das gibt es auch noch nicht so lange.
00:13:40: Olivia Das stimmt, das finde ich auch super. Also was ich mir wünschen würde, ich weiß nicht, wie naiv man jetzt hier träumen kann. Ich würde mir natürlich wünschen, dass der ÖPNV einfach kostenlos ist für alle Menschen. Das fände ich super. Und ich würde mir schon wünschen, dass sozusagen auch so langfristig gedacht einfach mehr in Richtung ÖPNV gedacht wird und weniger in Richtung Auto, also dass man den ÖPNV einfach noch mehr ausbaut. Autofreie Innenstädte, das wäre auch so ein Traum. Genau, dass man einfach, auch wenn sich das auch nicht rentiert … Weil ich glaube, das ist ja auch oft, jetzt gerade in so ländlichen Raum, muss ich schon auch sagen, wenn ich da manchmal sehe, wie der Bus bei mir am Haus vorbeifährt, da sitzt halt oft keiner drin. Aber trotzdem ist es ja wichtig, dass es das Angebot gibt und dass es auch ein beständiges, regelmäßiges Angebot gibt und nicht nur zweimal am Tag, dass sozusagen auch diese Orte bedient werden, auch wenn das nicht wirtschaftlich ist.
00:14:33: Maxi Dafür gibt es ja mittlerweile Konzepte von so On-Demand-Bussen, dass die Leute sich den einfach rufen.
00:14:38: Olivia Genau, das finde ich total cool. Ja. Ja, das gibt es in Dresden auch. Das heißt Alita Taxi. Das finde ich total super, weil man kann ja oft die 20 Minuten, die man da vorher anrufen muss, irgendwie vorausplanen. Ja. Ja, finde ich ein super Konzept und eigentlich schade, dass es das noch nicht viel öfter gibt, finde ich, weil es würde voll Sinn machen.
00:14:58: Maxi Tausend 300 Meter bis zur nächsten Busstation. Und hier in der Gegend liegt wirklich der Hund begraben. Versteht mich nicht falsch, es ist malerisch schön. Altbau an Altbau, Baum an Baum. Es hat schon fast was von Rosamunde Pilcher. Aber ich finde es Wahnsinn, dass es in Deutschland Orte gibt, die ihrer Zeit 20 Jahre voraus wirken. Und dann gibt es Straßen wie diese, wo es mich nicht überraschen würde, wenn eine Kutsche vorbeifährt. Gut, Kutschen sind keine Option mehr. Aber wie wird unser Naheverkehr in ferner Zukunft aussehen? Apropos ferne. Ich bin doch nicht die einzige Person hier in dieser ruhigen Straße. An der Bushaltestelle steht noch jemand. Braunes hochgestecktes Haar, eine junge Frau. Jetzt schaut sie in meine Richtung. Hi. Moment, ich gehe mal entgegen.
00:15:48: Isabella Uhl-Hädicke Teil 1
00:15:50: Isabella Ich bin Isabella Uhl-Hädicke. Ich bin Umweltpsychologin an der Universität Salzburg. Das heißt, ich beschäftige mich damit, warum wir Wissen rund um Umweltkatastrophen, Klimakrise schon so lange haben und es uns trotzdem so schwer fällt, das in entsprechende Handlungen umzusetzen. Und aber noch ganz wichtig: Was wir brauchen, damit wir es endlich machen, damit wir es endlich schaffen. Da gibt es in der Psychologie schon sehr, sehr viele Erkenntnisse und die wende ich auf den Umweltbereich an.
00:16:20: Maxi Dann kannst du ja wahrscheinlich auch sagen, warum Menschen sich so unterschiedlich verhalten oder sich einige komplett davor verschränken, dahin zu schauen zum Klimawandel, das zu akzeptieren, das zu sehen, dass es das gibt. Warum verhalten wir Menschen uns so unterschiedlich? Warum wollen wir das nicht sehen?
00:16:36: Isabella Ein Hauptgrund ist der Klimawandel an sich. Wie ist der? Und er ist einfach so von den Charakteristiken, als hätte sich der böseste Psychologe hingesetzt und die perfekte Katastrophe designt, die uns Menschen einfach massiv herausfordert. Denn es ist irgendwie räumlich und zeitlich weit weg, auch wenn die Konsequenzen immer näher kommen. Und was es besonders herausfordernd macht, es müssen alle an einem Strang ziehen, global. Das heißt, selbst wenn ich mein gesamtes Verhalten ändere, heißt das nicht, dass ich den gewünschten Erfolg habe. Und das macht es für uns Menschen so schwierig, denn unser Verhalten wird sehr beeinflusst und gesteuert über direktes Feedback. Und wenn ich jetzt mein Verhalten ändere, werden die Konsequenzen in 10, 20, 30 Jahren spürbar sein, aber auch nur, wenn alle mitmachen. Und das macht es so schwierig.
00:17:30: Maxi Dann kommen wir doch mal zum ÖPNV. Welche Rolle spielt denn eine Verkehrswende, auch wenn man jetzt in Zukunft denkt, das Klima zu schützen?
00:17:39: Isabella Es ist essentiell. Der individuelle Verkehr muss einfach neu gedacht werden. Und aktuell laufen da viele Diskussionen über das Klima. Und da sehe ich aber auch, das zeigt auch die Forschung, ganz klar eine große Chance, dass man andere Faktoren aufzeigt. Was ist, wenn man unser Verkehrssystem neu denkt, wenn man nicht mehr im Stau steht, wenn man in der Stadt wieder bessere Luftqualität hat? Man hat ja so viel weitere Vorteile. Und nebenbei ist es noch gut fürs Klima, aber man hat ja so viel weitere Vorteile. Und da sehe ich einfach das Problem auch in der Diskussion, dass aktuell sich sehr, sehr viel aufs Klima aufhängt, obwohl wir massiv davon profitieren und selbst wenn man das Klima weglässt.
00:18:22: Maxi Ja, und wie schafft man das jetzt? Ich habe jetzt auch viel Familie auf dem Land und die beschweren sich, also einige davon, auch sehr, sehr viel und die haben aber ein Haus und zwei Autos in der Garage und es wird trotzdem … funktioniert alles nicht und sie müssen gewisse Partei wählen, Veränderungen anzutreiben in diesem Land, weil so viel ja schiefläuft. Und ich mich dann frage: Aber ihr habt doch … Also mehr könnt ihr doch gerade nicht haben. Also einen großen Garten und ein Haus und zwei Autos und noch einen Hund oder zwei Hunde. Wie erreicht man denn die Menschen da?
00:18:51: Isabella Den Punkt, den du angesprochen hast, ist das ein ganz, ganz großer Punkt und das ist nicht nur rein die Umweltpsychologie zu betrachten, aber da spielt sicherlich auch ein Faktor das mit anderen. Gerade wenn man am Land lebt, ich lebe selbst am Land, wo es Usus ist, eben ein Haus zu haben, also zwei Autos, und dann vergleicht man sich: Oh, der Nachbar hat jetzt was Größeres. Und es ist leider so, dass wir Menschen oft, da sind wir wieder bei dem direkten Feedback, dass wir nicht unmittelbar sehen wir: Ah, der hat was Größeres. Der hat ein größeres Auto, größeres Haus. Und je nachdem, welche Werte ich habe, wie die allgemeine Zufriedenheit ist, löst das was in mir aus. Und dann, wenn du vorhin Parteien angesprochen hast, dann nimmt man vielleicht noch klar, jemand zeigt man Personengruppen auf, die daran vermeintlich schuld sind. Und das hilft einfach, dass man sagt: Ich muss nichts ändern, die anderen sind daran schuld. Das ist auch das große Thema bei der Klimakrise. Es braucht Handlungen von Politik, Wirtschaft, Industrie und Gesellschaft. Aber alle haben die Verantwortung. Und es fällt uns Menschen ganz, ganz schwer zu sagen: Stimmt, ich bin eigentlich Teil des Problems.
00:19:57: Isabella Und da ist es einfach viel einfach zu sagen: Die anderen sind schuld. China ist schuld. Was sollen wir hier in Deutschland machen? Dann kann man sich zurücklehnen, kann sagen: Stimmt, ich weiß eigentlich. Also man ist nicht Teil von den vermeintlich Bösen, aber man muss nichts ändern.
00:20:12: Maxi Natürlich geht es vor allem daran, mit gutem Beispiel voranzugehen und ein Vorbild zu sein, was ja oft auch ist, wenn man das modern macht, Klimawandel, wenn das plötzlich in ist. Ich weiß noch, als damals Fridays For Future hochkam, da war das eine wahnsinnig coole Bewegung. Wir hatten plötzlich so ein großes Gemeinschaftsgefühl, dieses freitags nicht zur Schule zu gehen, sondern auf die Straße zu gehen für eine bessere Welt. Und das hatte was sehr Idealistisches und Tolles und man war so: Okay, wir sitzen irgendwie zusammen in diesem Problem. Das ist aber auch wieder verflogen, dieses Gefühl. Warum? Haben wir zu viele Krisen gerade?
00:20:45: Isabella Also das ist meine Hypothese, dass einfach dieses Momentum von 2019 und Anfang 2020, es war so spürbar. Ich war schon vorher in der Umweltpsychologie und es war für mich so der Aha-Moment, zu sehen, wie schnell gesellschaftlich auch etwas ins Positive kippen kann. Dieses Momentum entsteht, plötzlich das Thema relevant wird durch die Gesellschaftsgruppen, man nicht mehr das Thema Nachhaltigkeit herumkommt. Zum Beispiel in Österreich hatten wir zu dem Zeitpunkt Wahlen und plötzlich hatte jede Partei ein Klimaprogramm. Natürlich.
00:21:17: Maxi Weil es modern war.
00:21:18: Isabella Ja, weil man nicht mehr rundherum gekommen ist. Und natürlich vielleicht manche stärker, manche weniger stark oder vielleicht weniger sinnführende Strategien. Aber trotzdem war das Thema da und präsent. Und dann kam die Pandemie. Dann kam die Invasion in der Ukraine. Dann kommen Energiekrise, überall Krisenherde. Und wir Menschen können auch nur mit einem gewissen Level an Krisen umgehen. Und ich muss auch dazu sagen, es ist auch verständlich. Es ist wirklich beängstigend. Und wenn man heutzutage Medien konsumiert, das ist ja wirklich eine beängstigende Schlagzeile nach dem anderen. Und man denkt sich gefühlt so: Jetzt kann es nicht mehr schlimmer werden. Und am nächsten Tag kommt die nächste Hiobsbotschaft. Und da müssen wir wieder versuchen, rauszukommen, weil durch das, dass die Krisen gefühlt dringlicher sind, zum Beispiel Pandemie, das habe ich unmittelbar gespürt. Und da sind wir bei der Klimakrise, sicher spüren wir sie, vor allem jetzt im Sommer, aber man kann es trotzdem noch relativ, gerade in unserem westlichen Kulturkreis, gut verdrängen. Und andere Probleme sind dringlicher. Das Problem ist, die Klimakrise macht keine Pause. Es geht weiter. Und was es braucht, ist einfach, dem Thema wieder mehr Präsenz zu geben, aber ich würde einen anderen Spin machen, ein anderes Narrativ wählen.
00:22:42: Isabella Nicht mehr noch eine Bedrohung, noch eine Krise, sondern einfach die Chancen, die man hat. Was ist, wenn man jetzt das Energiesystem verändert und nicht mehr unser Geld zu Diktatoren fließt, die damit Kriege finanzieren, wenn die Wertschöpfung im Land bleibt, wenn wir ein anderes Mobilitätssystem haben, wo die nicht im Stau stehen, wo wir eine gute Luftqualität haben. Wenn die Städte wieder grüner sind und man es im Sommer einfach gern in der Stadt ist, man einfach mehr Lebensqualität hat. Und dafür ist es wert, die Veränderungen umzusetzen.
00:23:14: Maxi Es gibt ja Dinge, die jeder Einzelne machen kann, wie seinen Müll nicht in die Umwelt zu werfen, weniger Plastik zu kaufen oder zu verwenden. Aber wahrscheinlich den größten Beitrag, den wir tun können, ist, wählen zu gehen, oder? Weil am Ende sind die Politiker, die das in der Hand haben.
00:23:30: Isabella Und mittlerweile sehe ich es die klimafreundlichste Handlung, die man als Einzelperson machen kann, seine Stimme politisch hörbar zu machen. Das heißt jetzt nicht, sich einer Partei anzuschließen, sondern gehen wir runter auf die kleine Ebene, dass man zum Bürgermeister, zur Bürgermeisterin geht und sagt: Hier wird ein neuer Parkplatz gebaut und sich organisiert und dagegen ist und nicht nur daheim sitzt mit Gleichgesinnten oder auf Instagram schimpft, dass es so schlimm läuft, sondern wirklich der Politik zeigt, das Thema ist wichtig. Ihr könnt nicht drübergehen.
00:24:04: Maxi Sorry, ich habe einfach immer sofort dieses Lied im Kopf, wenn ich eine große Gruppe auf Rädern sehe, die offensichtlich eine Radtour macht. Das Fahrrad ist auch einfach sehr gut gealtert. Das hat auch Zukunftspotenzial. Apropos in die Pedale treten. Kennt ihr noch Draisinen? Ob die in der Zukunft noch mal ein Comeback haben werden? Wartet, falls ihr die nicht mehr kennt. Dresin sehen aus wie so ein großes Brett, das auf Schienen fährt. Und auf dem Brett ist eine Art Fahrradrahmen angebracht, sodass es von der Muskelkraft eines Menschen angetrieben wird. Gut, Draisinen gehören der Vergangenheit an. Aber vielleicht ist das Geheimnis auch, nicht alles Vergangene zu verteufeln, sondern zu schauen, was davon zukunftstauglich ist. Ich merke gerade, ich habe noch viele Fragen ohne Olivia. Was macht dir denn Hast du denn Hoffnung, wenn du an Mobilität in der Zukunft denkst?
00:24:58: Olivia Schneider Teil 2
00:25:03: Olivia Na, ich glaube schon, dass es irgendwie ein Potenzial gibt, dass es alles umweltfreundlicher gestaltet wird. Also, dass es, keine Ahnung, E-Busse gibt oder wie auch immer, dass man nicht mehr nur noch Dieselfahrzeuge fahren muss. Und letztendlich ist ja auch für mich, also zum Beispiel das Deutschland-Ticket, ist schon auch was, was mir dahingehend Hoffnung macht, dass man ja auch so ein bisschen potenziell umplant und dann vielleicht nicht mehr sagt: Okay, ich fahre mit dem Auto nach Berlin, weil es sich mehr lohnt, sondern Okay, Berlin, da ist jetzt die Verwendung nicht so gut mit dem Deutschland-Ticket, aber du weißt, was ich meine. Dass man irgendwie sagt: Okay, ich bezahle da meine 60 Euro im Monat und kann dafür … Also es lohnt sich einfach mehr, sozusagen auf den ÖPNV umzusteigen. Das ist schon was, was ich positiv bewerten würde und wo ich einfach hoffe, dass sich das in der Zukunft irgendwie noch ausbaut. Und ich hoffe natürlich auch, dass sich sozusagen auch die Streikkultur oder so weitergeführt wird, dass es in der Arbeit ist, die sozusagen auch in der Zukunft noch Sinn macht, also dass auch die Beschäftigten, die diesen ÖPNV am Laufen halten, das weitermachen können, weil es fair bezahlt wird.
00:26:10: Maxi Kannst du dir vorstellen, wie Öffis Deutschland sozial gerechter machen können?
00:26:15: Olivia Ja, also ich meine, ein Öffi-Angebot, was sich potenziell jeder leisten kann und wo jeder irgendwie auch Zugang zu hat, also indem es auch barrierefrei ist und Ähnliches, ist natürlich was, was die Chancengleichheit einfach ein Vielfaches erhöht und auch Menschen ermöglicht, irgendwie an gesellschaftlichem Leben mehr teilzunehmen.
00:26:35: Maxi Und wir reden ja oft auch darüber, wie der Osten wählt. Hast du das Gefühl, dass vielleicht ÖPNV auch dazu beitragen kann, dass es einen größeren Diskurs geben kann und man sich besser austauschen oder besser auch informieren kann oder auf mehr Einheit, also zu mehr Einheit führen kann?
00:26:52: Olivia Was ich jetzt sagen würde, ist schon, dass ein guter ÖPNV so einem Gefühl von Abgehängtsein entgegenwirkt, was ja schon auch oft so etwas ist, was Leuten nachgesagt wird oder dem Osten nachgesagt wird. Ja, der Osten ist abgehängt immer noch nach 35 Jahren und deswegen wählt er halt rechts. Ich denke, da ist ÖPNV schon was, was dazu beitragen kann. Aber ich weiß nicht genau, denkst du jetzt in die Richtung von, dass Leute mehr an so was wie Bürgerbeteiligungsformaten oder kulturellen Angeboten teilnehmen können, indem sie zum Beispiel die Orte auch erreichen können tatsächlich.
00:27:23: Maxi Ja, oder Zugang einfach zu Kultur, zu Diversität, auch zu merken, was gibt es noch in Deutschland Deutschland oder was macht Deutschland aus? Wenn man viel in seiner Kommune unterwegs ist und in seiner Gemeinschaft, vergisst man ja auch oft oder kann schneller auch Feindbilder in seinem Kopf erzeugen, wenn man sich gar nicht konfrontiert mit: Was geht denn wirklich ab oder wie sieht Deutschland aus Also ich glaube, vielleicht muss man es auch eher so rum denken, dass man auch versucht, die Angebote halt auch in den ländlichen Raum zu holen und nicht, dass die Leute irgendwo anders hinkommen müssen, sondern dass sie halt auch irgendwie vor Ort abgeholt werden sollten.
00:27:59: Olivia Wobei das natürlich auch nicht immer funktioniert, glaube ich, weil es schon auch oft so eine Grundskepsis gibt, dass man sagt: Die kommen jetzt hier nur, weil die … und stempeln uns schon vorher ab, oder wie auch immer. Aber ich denke, genau, man könnte es auch andersherum denken und kulturelle Angebote, soziale Angebote, politische Angebote, dass die sich halt auch mehr auf den ländlichen Raum fokussieren.
00:28:24: Maxi Ich fahre gerne durch dieses Land. Und ja, ich klinge wie ein Moderator eines Reisemagazins, der diverse diese Ferienhöfe testet. Aber mal ehrlich, wir leben in einem so irre schön Land und ich sehe es in dieser S-Bahn an mir vorbeiziehen und denke: Dafür lohnt es sich doch. Es lohnt sich doch, in die Zukunft zu investieren. All das hier zu erhalten Und die Öffis können so einen großen Teil dazu beitragen, dass unsere Zukunft wirklich cyber wird. Ja, das ist jetzt mein neues Adjektiv. Und es ist auch das passende Adjektiv, Isabellas Profession zu beschreiben. Eine Umweltpsychologin ist definitiv cyber. Was glaubst du, wäre der psychologische Hebel als Umweltpsychologin, damit die Öffis nicht nur als Notlösung wahrgenommen werden?
00:29:05: Isabella Uhl-Hädicke Teil 2
00:29:15: Isabella Dazu gibt es unterschiedlichste Studien. Und zum Beispiel hat man probiert, Leuten ein gratis Ticket für einen Monat zu geben. Weil oft so die Annahme ist: Es muss günstiger sein. Natürlich, es muss günstiger sein. Das ist nicht diskutierbar, aber es zeigt sich in der Forschung klar: Günstiger heißt nicht gleich, dass es auch wirklich mehr genutzt wird, sondern ein Faktor ist, wenn die Leute sind, dran geblieben an der Gewohnheit, dann die Öffes zu nehmen mit diesem gratis Monatsticket, wenn sich ihre Einstellung zum ÖPNV verändert hat in der Zeit. Vielleicht haben sie den vorher nie genutzt, haben Sie gedacht: Das ist so eng und immer unpünktlich und ich möchte flexibel sein. Durch die Nutzung haben Sie die Vorteile erlebt. Haben Sie gemerkt: Ich stehe nicht im Stau, ich muss nicht selbst aktiv mitwirken am Ich kann abschalten, kann ein Buch lesen. Es ist vielleicht günstiger als die Anschaffung eines Autos und die ganzen Folgekosten. Also wichtig ist, dass es erlebbar wird und dass man dann durch diese positive Konsequenz motiviert ist.
00:30:14: Maxi Wo ist aus deiner Perspektive der größte Handlungsbedarf, den Verkehr in Deutschland zukunftsträchtig zu machen?
00:30:22: Isabella Die ÖPNV muss einfach eine gewisse Infrastruktur haben, muss auch eine gewisse Qualität haben. Man muss sich sicher fühlen. Also es müssen gewisse Standards erfüllt werden und gleichzeitig muss der Fokus auch auf den Individualverkehr gelegt werden, auf den fossilbetriebenen Individualverkehr. Also wenn die Bedingungen so gestaltet sind, dass der ÖPNV attraktiver ist, günstiger, auch besser umsetzbar, dann wird es so werden, dass ein Shift passiert, dass die Leute einfach mehr zu den Öffis neigen.
00:30:56: Maxi Es muss wahrscheinlich auch deutlich schneller sein, als mit dem Auto unterwegs zu sein. Es reicht ja nicht nur, wenn es genauso schnell ist wahrscheinlich. Denk ich mir ja: Dann kann ich auch Auto fahren.
00:31:05: Isabella Ja, genau. Ein Beispiel aus Österreich: Die Westbahnstrecke zwischen Salzburg und Wien wurde in den letzten Jahren extrem gut ausgebaut. Mittlerweile ist man sehr, sehr schnell und viel schneller als mit dem Auto. Und jetzt nehmen Leute den Zug, von denen ich nie erwartet hätte, dass sie den Zug fahren. Und die Vorteile müssen überwiegen. Es muss natürlich auch günstig sein, aber es muss eben auch das Fahrerlebnis … Also ich muss ein positives Erlebnis haben oder zumindest kein allzu negatives, wenn ich es nutze.
00:31:35: Maxi Ich habe jetzt letztens im Hamburger Abendblatt auch gelesen, dass falls Olympia nach Deutschland kommt, nach Hamburg, dass zwischen Kiel und Hamburg so eine Vakuum-Röhre gebaut werden soll, wo man mit 600 km/h zwischen den Städten fahren kann. Ich meine, das ist ja danün fast schon ein Erlebnis, was man unbedingt machen möchte. Dann will man ja nicht mit dem Auto über die Autobahn düsen, sondern will mal da drin sitzen. Vielleicht muss auch einfach wirklich sich das nach Zukunft anfühlen.
00:31:59: Isabella Genau. Also man muss einfach raus aus diesem Muster: Wir machen es, wie wir es immer schon gemacht haben. Und es gibt ja schon so viele Möglichkeiten. Natürlich in der Umsetzung, man kann sich von heute auf morgen umsetzen, aber wenn man schaut, die Züge in Japan oder auch TGV in Frankreich, es gibt schon innovative Möglichkeiten. Man muss es nur wagen.
00:32:19: Maxi Die ja auch die Wirtschaft ankurbeln können. Ich meine, das könnte ja sogar eine Touristenattraktion werden oder Arbeitsplätze schaffen. Es ist ja total ein Potenzial, da in Innovation zu investieren. Und nicht weiterhin in das, was wir schon immer gemacht haben.
00:32:33: Isabella Genau, das ist halt so diese falsche Annahme, dass es immer Klimaschutz versus Wirtschaft und wir machen was fürs Klima. Nein, wir machen es für uns. Für uns, dass da auch eben dass die Mobilität angenehmer wird, dass wir nicht im Stau stehen, dass wir angenehme Luftqualität haben. Und das alles bringt eben massive Vorteile. Und ich glaube auch, wenn wir wissen, weg von diesem Narrativ, wir machen es für das Klima, sondern wir machen es eigentlich für uns Menschen.
00:33:00: Maxi Und Zukunft heißt ja auch Innovation oder sich weiterzuentwickeln. So ein Stillstand oder wie man den ja gerade spürt, eher eine Rückwärtsbewegung, in alte Muster, ist ja wirklich Wirtschaftskiller und literal killer für uns Menschen.
00:33:15: Isabella Ja, aber aus psychologischer Sicht ist es erklärbar, das kommt aus einer Angst heraus. In so unsicheren Zeiten oder gefühlt unsicheren Zeiten geben uns unsere Werteinstellungen, unsere Gruppenzugeörigkeit, unsere Weltanschaungen gefühlt Kontrolle. Und indem wir uns stärker darauf fokussieren, hilft es uns, subjektiv mit der Bedrohung umzugehen und wir fühlen uns sicherer. Und dadurch kann man das auch erklären, warum jetzt fast so wie ein Backlash ist und zurück in die Vergangenheit, weil man einfach das Gefühl hat, das kenne ich schon und ich brauche keine Angst vor was Neuem zu haben.
00:33:53: Maxi So, das hier ist die letzte Etappe. Die letzten Meter laufe ich zu Fuß und im Grunde war das hier heute vor sieben Episoden die Zukunft. Eure, meine. Ja, jetzt lacht ihr vielleicht und denkt: Junge, das ist nicht die Art von Zukunft, die wir meinen. Wir reden über das, was in 20 Jahren ist. Dann frage ich euch: Ja, ist das so? Ich meine, wir wissen doch aus dem Deutschunterricht, dass allein unsere Sprache zwei Zukunftsformen hat: Futur eins und zwei. Also ich will jetzt keine Deutsch-LK-Albträume bei euch triggern, aber ihr versteht, was ich meine, oder? Wenn wir über die Zukunft nachdenken, dann kann es das kommende Wochenende gehen oder wie unsere Wochenenden im Jahr 2050 aussehen. Und ich glaube, es hilft sich erst mal, die nahe Zukunft zu kümmern. Anstatt über fliegende Autos zu fantasieren, können wir erst mal Anreize schaffen, damit z. B. Mehr Menschen die Öffis nutzen. Ich weiß, das klingt nicht so cyber, aber ich bin der Überzeugung, dass eine wichtige Frage der Zukunft lautet: Wie wollen wir miteinander leben? Und im Hinblick auf unsere Öffis bedeutet das: Wie wollen wir zusammen unterwegs sein? Ich bin in den letzten Folgen auf so viele gute, kluge Leute getroffen, die mit einem Textmarker unterstrichen haben, was für eine große Rolle der Naheverkehr für unsere Zukunft spielt.
00:35:14: Maxi Übrigens kann ich die Altersresidenz jetzt schon sehen. Ich laufe gerade schnurstracks drauf zu. Meine Oma hat es geschafft, ganz nach oben zu kommen. Sie bewohnt das Penthouse in diesem Gebäude. Ihr O-Ton war natürlich: Maxi, ich brauche einfach freie Sicht. Ich muss sehen, was kommt. Dafür ist es unerlässlich, im obersten Stock zu wohnen. Sehen, was kommt. Meine Oma hat wie immer recht. Dafür muss man aber mit offenen Augen durch die Welt gehen und hinschauen wollen.
00:35:45: Oma Hallo Maxi. Ich habe übrigens noch was ganz besonderes für dich. Ich habe heute Morgen online das Rezept für diesen Maulwurfkuchen gefunden. Den habe ich uns gebacken. Bis gleich, mein Schatz.
00:35:57: Maxi Oh ja, ich freue mich. Oma, ich bin ungefähr in drei Minuten da. Bis gleich. Aber wartet mal leute, online? Kuchen?
00:36:09: Maxi Online? Ich bin jetzt bei 40,5 Grad circa 78,6 mal umgestiegen, weil sie angeblich offline ist. Sag mal Oma? Worldwide gereist, ihr Web zu reparieren. Aber was soll's? Es gibt Kuchen. Bis gleich, Oma.
00:36:30: Maxi Ticket to Anywhere ist ein Podcast der Zukunft Nahverkehr in Zusammenarbeit mit der dpa. Host bin ich, Maximilian Mundt, Skriptautorin: Inga Wessling. Autor und Producer: Claus Schwartau, redaktion: Charlotte Witt und Alicia Windzio, executive-producer DPA: David Krause, Sounddesign: Sebastian Dressel, Musik: Henning Neidhardt, Ton: David Bader, Dirk Feistel und Saskia Hahn. Teamlead Social Media: Oliwia Nowakowska. Initiative Zukunft Naheverkehr: Chiara Giordano und Leila Mahmood.
Neuer Kommentar